Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Leben und Meinungen des Herren Tristram Shandy

Titel: Leben und Meinungen des Herren Tristram Shandy
Autoren: Laurence Sterne
Vom Netzwerk:
sollen.

301. Kapitel.
    Wir leben in einer Welt, die nach allen Seiten hin mit Geheimnissen und Räthseln erfüllt ist, – und somit hat das nichts zu sagen. Im Uebrigen aber ist es sonderbar, daß die Natur, die alle Dinge so erschafft, daß sie ihrem Zweck entsprechen, und die selten oder nie irre geht, außer etwa einmal zum Zeitvertreib, die Allem, was durch ihre Hände geht, solche Formen und Eigenschaften verleiht, daß, mag sie nun für den Pflug, die Karavane oder den Karren arbeiten, – mag sie ein Geschöpf, welches es immer sei modelliren und wäre es nur ein Eselfüllen, man gewiß sein darf, daß man das erhält was man braucht; sonderbar sage ich, ist es, daß sie doch zugleich immer so pfuscherhaft arbeitet, wenn sie ein so einfaches Ding zu machen hat, wie ein Ehemann ist.
    Ob es nun in der Wahl des Thons liegt, oder daran, daß dieser häufig beim Backen verdorben wird (wobei der Ehemann das eine Mal zu stark gebacken wird und zu krustig ausfällt, – das andere Mal aus Mangel an Hitze in das Gegentheil umschlägt), – oder ob die große Künstlerin nicht aufmerksam genug für die kleinen platonischen Anforderungen desjenigen Theils des Menschengeschlechts ist, zu dessen Gebrauch sie jenen bildet; – oder ob es daher rührt, daß die Dame oft selbst nicht recht weiß, welche Sorte von Ehemann für sie paßt, – das weiß ich nicht. Wir wollen nach dem Essen mehr darüber reden.
    Genug, daß weder diese Beobachtung selbst noch das Sprechen darüber irgend etwas hilft – im Gegentheil eher noch mehr verwirrt. Was namentlich die Geeignetheit meines Onkels Toby für den Ehestand anbelangt, so konnte nichts entsprechender sein; die Natur hatte ihn aus ihrem besten, weichsten Thon gebildet, – sie hatte ihn mit ihrer eigenen Milch versehen – und ihm das zarteste Gemüth eingehaucht, – sie hatte ihn durchaus mild, edel und menschlich gemalt; – sie hatte sein Herz mit Glauben und Vertrauen erfüllt, und jeden Weg dahin zur Mittheilung der zärtlichsten Botschaften eingerichtet; – hatte auch die andern Dinge, wegen deren die Ehe eingesetzt ist, in Betracht gezogen –
    Und demgemäß *   *   *   *   *   *   *   *   *   *   *   *   *   *   *
    Und diese Gabe war durch die Wunde meines Onkels Toby nicht beeinträchtigt worden.
    Dieser letzte Punkt war nun aber etwas zweifelhaft, und der Teufel, welcher den Glauben auf dieser Welt so oft zerstört, hatte auch im Kopf der Frau Wadman Bedenklichkeiten in dieser Beziehung hervorgerufen, und als wahrer Teufel sein Werk zugleich dadurch ausgeübt, daß er meines Onkels Toby Fähigkeit in genannter Richtung in leere Flaschen, Kutteln, Pluderhosen und Pantoffeln verwandelte.

302. Kapitel.
    Jungfer Brigitte hatte den ganzen kleinen Vorrath von Ehre, der einer armen Kammerjungfer auf dieser Welt zugetheilt ist, dahin verpfändet, daß sie in zehn Tagen die Sache heraushaben wolle. Sie baute hiebei auf eines der annehmbarsten Postulate in der Natur: Darauf nämlich, daß während mein Onkel Toby ihrer Gebieterin den Hof machte, der Corporal nichts Besseres werde thun können, als ihn ihr zu machen. – Und ich will ihn soweit kommen lassen als er will, sagte Brigitte, wenn ich es nur herauskriege.
    Die Freundschaft hat zwei Kleider, ein oberes und ein unteres. Brigitte diente den Interessen ihrer Gebieterin in dem einen, – und that zugleich was sie selbst am liebten hatte in dem andern; sie hatte somit so viele Einsätze auf die Wunde meines Onkels Toby gemacht als der Teufel selbst. – Frau Wadman hatte nur einen einzigen, – und da es vielleicht ihr letzter war, so war sie entschlossen (ohne deshalb Jungfer Brigitte entmuthigen oder ihr Talent gering schätzen zu wollen), ihr Spiel selbst zu machen.
    Es fehlte ihr nicht an Aufmunterung; ein Kind hätte ihm in die Karten sehen können, – er zeigte eine solche Offenheit und Einfalt im Ausspielen seiner Trümpfe, – besaß eine so arglose Unkenntniß von Zehn und Aß – und saß so entblößt und schutzlos auf dem gleichen Sopha mit Frau Wadman, daß ein edles Herz geweint haben würde, wenn es ihm das Spiel abgewann.
    Wir wollen das Gleichniß fallen lassen.

303. Kapitel.
    Und die Geschichte ebenfalls, wenn es Ihnen genehm ist, verehrter Leser. Ich habe mich zwar allerdings beeilt, an diesen Punkt zu gelangen, und zwar alles Ernstes, da ich wohl weiß, daß es das feinste Stück der Geschichte ist, das ich hier der Welt bieten kann, und doch wäre mir jetzt, da ich soweit
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher