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Leb wohl, liebes Hausgespenst!

Leb wohl, liebes Hausgespenst!

Titel: Leb wohl, liebes Hausgespenst!
Autoren: Marie Louise Fischer
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Schrecken, rieb sich die Augen. „Was soll das heißen?“
    „Du hast ganz richtig gehört. Ich fliege nicht mit euch nach Deutschland zurück.“
    Monika wußte nicht, ob sie traurig oder erleichtert sein sollte. „Ist das dein Ernst?“
    „Ja. Ich will nicht mehr in das langweilige alte Haus, und ich will auch nicht in deine langweilige alte Schule...“
    „Alt ist die nun wirklich nicht!“ warf Monika ein. „Ein ganz neues Gymnasium.“
    „Schulen sind immer langweilig.“
    „Aber das stimmt ja gar nicht!“
    „Willst du dich wieder mit mir streiten... oder möchtest du nicht endlich mal zuhören.“
    „Gut. Ich höre.“ Monika richtete sich auf, zog die Beine an und schlang die Hände um die Knie. „Du willst also hierbleiben?“
    „Ja. Vielleicht. Ich weiß noch nicht. Jedenfalls ist hier mehr los als in Haidholzen, das wirst du zugeben. Vielleicht mache ich auch wieder mal eine Kreuzfahrt... oder ich fliege nach Los Angeles und besuche Disneyland.“
    „Du hast ja tolle Pläne“, sagte Monika, nicht ganz ohne Neid.
    „Ich werde mich nur ein bißchen in der Welt umsehen“, erklärte er mit gespielter Bescheidenheit.
    „Hör mal, Amadeus, du verläßt mich doch nicht etwa, weil wir dich geärgert haben? Wir mußten das tun, du warst es ja, der angefangen hatte...“
    „Keine Vorhaltungen, s’il vous plait! Die sind ennuyant.“ Er gähnte affektiert.
    „Ich hab’s nicht gern getan, Amadeus“, verteidigte Monika sich, „wirklich nicht.“
    „Du machst dir doch nicht etwa Vorwürfe?“
    „Doch. Ein bißchen schon.“
    „Das brauchst du nicht. Du warst es ja, die mich befreit hat, und das war... beinahe... das wichtigste Ereignis in meinem Dasein.“
    „Du bist mir also nicht böse?“
    „Nicht die Spur.“
    Gott sei Dank, hätte Monika beinahe gesagt, schlug sich dann aber noch rechtzeitig mit der Hand auf den Mund; sie wußte, daß Amadeus das nicht ertragen konnte. „Da bin ich aber froh!“ sagte sie statt dessen.
    „Nun, du wirst sehen müssen, wie du in Zukunft ohne mich zurechtkommst.“
    „Ich werde es versuchen.“
    „Du hast ja jetzt Günther.“
    „Ich glaube nicht, daß Günther mir so helfen kann wie du. „
    „Wenn du das nur einsiehst.“
    Monika seufzte. „Ach, Amadeus, wir hatten doch eine schöne Zeit miteinander, nicht wahr?“
    „Leb wohl, ma petite Monique... vergiß mich nicht!“ Amadeus erhob sich vom Bett und schwebte hoch.
    „Wie könnte ich!“ rief Monika und: „Bleib doch noch! Warum willst du jetzt schon fort?“
    Aber Amadeus hörte nicht mehr auf sie. Er flog durch das Zimmer und durch das offene Fenster ins Freie.
    Monika war allein. Plötzlich kamen ihr die Tränen. Ja, es stimmte, der Kobold war ihr manchmal lästig gewesen. Aber wie oft hatte er ihr auch geholfen, und wie sehr hatte sie über seine Streiche lachen können! Es wäre ganz schön gewesen, wenn er sie für eine Weile alleingelassen hätte, etwa, bis sie sich auf dem Gymnasium eingewöhnt hatte. Aber daß er nun für immer fort war, das war doch zu traurig.
    „Amadeus“, schluchzte sie, „o Amadeus!“
    Aber nach einer Weile versiegten die Tränen, und sie begriff, daß es besser so war. Von nun an würde sie die Nächte durchschlafen können und tagsüber frisch sein. Sie würde genügend Kraft haben, um richtig zu lernen, und sie würde Freundschaften mit Jungen und mit Mädchen schließen können, ohne daß ein eifersüchtiges Gespenst sich einmischte.
    Natürlich würde sie auch lernen müssen, auf sich selber aufzupassen, denn es gab jetzt niemanden mehr, der sie im letzten Moment rettete. Aber auch das war gut so.
    Monika reckte und streckte sich. Sie spürte, daß sie kein Kind mehr war, sondern auf dem besten Weg, erwachsen zu werden.

Deckelbild: Nikolaus Moras
    Illustration: Brigitte Smith
    Bestellnummer: 8268
    © 1982 Franz Schneider Verlag GmbH & Co. KG
    München — Wien — Hollywood/Florida USA
    ISBN 3 505 08268 6
    Alle Rechte der weiteren Verwertung liegen beim Verlag, der sie gern vermittelt.

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