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GK0061 - Der Gnom mit den Krallenhänden

GK0061 - Der Gnom mit den Krallenhänden

Titel: GK0061 - Der Gnom mit den Krallenhänden
Autoren: Jason Dark
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Der Gnom kicherte, als er auf den Leichnam blickte. Er bückte sich und nahm die Lampe des Toten an sich.
    Die brennende Lampe in der Hand, hinkte er auf den großen Glasschrank zu, der in der Mitte des Raumes stand. Endlich konnte er seine Arbeit beginnen – und hoffentlich ungestört.
    Der Verwachsene ließ den Lampenstrahl an der großen Scheibe entlangwandern. Allerlei ausgestopfte Tiere wurden aus der Dunkelheit gerissen.
    Eulen und Uhus, deren Augen seltsam leuchteten, Eidechsen, Schlangen, Ratten und Frösche. Sie hockten oft auf knorrigen Ästen und sahen so echt aus, daß man meinen konnte, gleich würde ein Tier losspringen und sich seine Beute suchen.
    Doch das alles interessierte den Gnom nicht. Für ihn war nur eins wichtig. Der Totenschädel!
    Er stand auf einem grauen viereckigen Stein in der Mitte des Glaskastens.
    Die Schädelform war noch gut erhalten, zeigte keinerlei Risse. Selbst die Zähne waren noch vorhanden.
    Wieder kicherte der Bucklige. Seine strichdünnen Lippen formten unhörbare Worte.
    Er griff in die Tasche seiner weiten Jacke und brachte einen Glasschneider zum Vorschein. Ihn setzte er an der Scheibe an, zog einen Kreis, und schon konnte er das runde Stück Glas herausnehmen.
    Vorsichtig legte er es auf den Boden.
    Der Weg zu dem Schädel war nun frei.
    Der Gnom – er hatte überlange Arme – griff durch die entstandene Öffnung in den Schaukasten.
    Seine Fingerkuppen streichelten den Schädel. Ein seltsames Gefühl überkam ihn. Es erinnerte an elektrische Stromstöße, die auf einmal durch seinen Körper zu rasen schienen.
    Ja, das war der richtige Schädel.
    Der Schädel von Jean Sourette, dem Magier!
    Vorsichtig holte der Gnom den Schädel aus dem Kasten. Dann steckte er ihn in eine Plastiktüte, die er sich anschließend um den Hals hängte.
    Bevor er ging, warf er noch einen Blick auf die Leiche.
    »Du hast es nicht anders gewollt«, flüsterte der Verwachsene.
    Lautlos verließ er den großen Raum. Auf leisen Sohlen huschte der Gnom durch den Korridor, erreichte eine der breiten Treppen, gelangte in den Keller und schließlich zu dem kleinen Fenster, durch das er auch eingestiegen war.
    Geschickt kletterte der Gnom nach draußen.
    Feuchtkalte Nachtluft empfing ihn.
    Der Verwachsene blieb stehen und lauschte. Doch der kleine Ort Beaumont schlief. Noch nicht einmal das Jaulen eines Hundes war zu hören.
    Der Bucklige kicherte wieder. Der erste Teil seines Planes hatte geklappt. Jetzt mußte er nur noch die Hilfe der Geister erflehen. Der Bucklige blickte auf das Beil. Und er wußte auf einmal, daß die Geister ihm helfen würden. Dafür war er bereit, jedes Opfer zu bringen.
    Der Museumswächter war das erste gewesen.
    Weitere würden folgen…
    ***
    Gilbert Ruminski war 36 Jahre alt und Lehrer an der einzigen Schule in Beaumont. Warum er sich hier in die Provinz hatte versetzen lassen, wußte er selbst nicht mehr genau. Aber wahrscheinlich war es die Landschaft der Provinz Calvados, die es ihm angetan hatte.
    Die Dorfbewohner waren damals froh gewesen, überhaupt eine Lehrperson gefunden zu haben, und so hatten sie Ruminski ein Haus als Unterkunft zur Verfügung gestellt. Es war zwar schon uralt und nicht sehr komfortabel, aber es ließ sich darin leben.
    Gilbert Ruminski war Frühaufsteher. Jeden Morgen um fünf Uhr sprang er aus den Federn, ging zu dem kleinen Brunnen, holte sich dort eiskaltes kristallklares Wasser und wusch sich die letzte Müdigkeit vom gesamten Körper.
    Anschließend schlüpfte Ruminski in seinen Trainingsanzug und unternahm seinen drei Kilometer langen Morgenlauf.
    Als Ruminski an diesem Donnerstag aus der Tür trat, lag ein leichter Nebelfilm über dem Dorf. Von der See her wehte ein rauher Wind und zerzauste seine Haare.
    Bevor Ruminski anfing zu laufen, machte er noch ein paar Turnübungen.
    Dann setzte er sich in Bewegung. Zuerst lief er die Hauptstraße hoch, bis zum Ende des Dorfes.
    Dann bog er in einen schmalen Feldweg ein, der zwischen taunassen Wiesen hindurchführte, und lief schließlich ein Stück in den Mischwald, wo er auf einer kleinen Lichtung seine Freiübungen wiederholte.
    Mittlerweile zog die Morgendämmerung herauf und übergoß den Himmel im Osten mit einem blutroten Schein.
    Dieses Schauspiel nahm Gilbert Ruminski jedes Mal gefangen. Etwa 15 Minuten lang beobachtete er den Sonnenaufgang. Dabei bemerkte er nicht, daß er selbst auch beobachtet wurde.
    Es war der Gnom, der seine funkelnden Augen auf den Rücken des Lehrers
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