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LaVyrle Spencer

LaVyrle Spencer

Titel: LaVyrle Spencer
Autoren: Getrennt von Tisch und Bett
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1
    Unter den gegebenen Umständen war es eine
Ironie des Schicksals, daß Catherine Anderson nur wenig mehr von Clay Forrester
als seinen Namen wußte. Er muß reich sein, dachte sie, als ihr Blick durch die
Eingangshalle schweifte, die offenbarte, wie begütert die Familie Forrester
war.
    Gegenüber dem Portal lag der
Empfangssalon, ganz in hellgelben und goldenen Tönen gehalten. Über ihr hing
ein Kristallüster. Eine geschwungene Treppe führte in den ersten Stock. Ihr
gegenüber waren zwei Türen, zwischen ihnen stand eine Konsole mit anmutig
geschwungenen Beinen. Das Licht einer Kupferlampe wurde von einem Spiegel mit
goldenem Rahmen reflektiert. Neben ihr stand eine große Messingvase, in der
stark riechende Eukalyptuszweige staken. Von dem Geruch wurde ihr langsam
schlecht.
    Sie betrachtete die massive, aus
Eichenholz geschnitzte Doppeltür. Die Knäufe besaßen eine Form, die sie noch
nirgendwo gesehen hatte. Sie wirkten, als hätte ein Kunstschmied sie
angefertigt. Bitter fragte sich Catherine, wieviel diese Türgriffe gekostet
haben mußten, ganz zu schweigen von der protzigen Sitzbank, auf der man sie
zurückgelassen hatte. Sie war mit weichem, braunem Samt bezogen – ein
Möbelstück absurder Extravaganz, das sich nur sehr reiche Leute leisten
konnten.
    Ja, die ganze Halle war ein
Kunstwerk. Alles paßte zusammen – nur Catherine Anderson paßte nicht hierher.
    Obwohl sie attraktiv war: Ihr
aprikosenfarbener Teint und ihr von der Sonne gebleichtes blondes Haar
verliehen ihr ein frisches, vitales Aussehen. Ihre Gesichtszüge besaßen jene
ansprechende Symmetrie, die ihr ihre skandinavischen Vorfahren vererbt hatten
– eine gerade Nase, geschwungene Lippen, blaue Augen und feingezeichnete Brauen.
    Es war ihre Kleidung, die sie
verriet. Sie trug blaue Hosen und eine Bluse, die schon bessere Tage gesehen
hatte. Die Kleidungsstücke waren aus schlechtem Stoff, selbstgenäht. Ihr
Trenchcoat war an Kragen und Ärmeln durchgescheuert, fadenscheinig. Ihre
braunen Schuhe waren aus einem synthetischen Material und abgetragen.
    Obwohl Catherine ärmlich gekleidet
war, strahlte sie durch ihre Haltung Frische und Stolz aus.
    Doch die bröckelte jetzt ab, je
länger sie hier saß. Denn ihr wurde bewußt, daß man sie wie ein ungezogenes
Kind hier sitzengelassen hatte, das Strafe verdiente. Was der Wahrheit ziemlich
nahe kam.
    Mit einem resignierten Seufzer
lehnte sie den Kopf gegen die Wand. Sie schloß die Augen, verschloß sie vor
ihrer luxuriösen Umgebung, doch ihre Ohren konnte sie vor den zornigen
Stimmen, die aus dem Arbeitszimmer drangen, nicht verschließen – die ihres
Vaters, hart und anklagend; die Mr. Forresters, beherrscht und wütend.
    Warum bleibe ich eigentlich hier?
fragte sie sich.
    Aber sie kannte die Antwort: Ihr
Hals tat noch immer vom Druck der Finger ihres Vaters weh. Und natürlich mußte
sie auch auf ihre Mutter Rücksicht
nehmen. Sie saß ebenfalls dort, bei den bedauernswerten
Forresters, die – reich oder arm – nichts getan hatten, um einen Verrückten wie
ihren Vater ertragen zu müssen. Catherine
hatte nie gewollt, daß es zu dieser Situation käme. Sie sah noch die
schockierten Gesichter von Mr. und Mrs. Forrester vor sich, als ihr Vater mit
seiner Beschuldigung in dieses Haus geplatzt war. Sofort hatten sie alle
höflich ins Arbeitszimmer gebeten und vorgeschlagen, man möge in Ruhe
miteinander reden. Aber sie hatten dann gleich gemerkt, wes Geistes Kind Herb
Anderson war, als er auf die Sitzbank deutete und seine Tochter anbellte:
»Pflanz deinen kleinen Arsch hierher, Mädchen, und bleib sitzen, sonst prügele
ich dich windelweich!«
    Plötzlich wurde die Haustür geöffnet
und ließ einen Strom würziger Herbstluft herein. Der Mann, der die Halle
betrat, paßte in seiner Erscheinung perfekt zum Interieur. Seine Kleidung war
eine Symphonie der verschiedensten Brauntöne: kamelfarbene Hosen aus einem
leichten Wollstoff, Sportjackett in Rostbraun, darunter ein Pullover in
hellerem Rostbraun, weißes Hemd mit geöffnetem Kragen, der die Goldkette um
seinen Hals erkennen ließ. Selbst die Natur hatte, so schien es, zu dieser
Farbharmonie beigetragen, denn seine Haut war noch vom Sommer gebräunt und sein
Haar von einem dunklen Rotgold.
    Er pfiff vor sich hin und entdeckte
Catherine nicht, die teilweise von dem Eukalyptusarrangement verdeckt wurde.
Sie machte sich noch kleiner und beobachtete ihn, als er zu der Konsole ging
und die darauf liegende Post durchsah. Noch immer pfiff er.
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