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LaVyrle Spencer

LaVyrle Spencer

Titel: LaVyrle Spencer
Autoren: Getrennt von Tisch und Bett
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Sie konnte sein
klassisch schönes Gesicht im Spiegel sehen: die gerade Nase, hohen Wangenknochen,
intensiven Augen. Aber sein Mund – ach, er war zu schön, zu lebhaft und
lebendig, um irgend etwas anderes als Fleisch und Blut zu sein.
    Noch immer bemerkte er sie nicht und
ließ den modischen Sportmantel von seinen Schultern gleiten. Er legte ihn sich
nachlässig über einen Arm und lief die Treppe, zwei Stufen auf einmal nehmend,
hoch.
    Catherine war in sich
zusammengesunken.
    Aber sie straffte sich, als die Tür
zum Arbeitszimmer aufgestoßen wurde und Mr. Forrester
erschien. Die Bücher in seinem Rücken gaben einen würdigen Rahmen ab. Seine
schiefergrauen Augen drückten schlecht verhohlenen Zorn aus. Dem Mädchen auf
der Sitzbank schenkte er kaum einen Blick.
    »Clay!« Der herrische Ton ließ den
jüngeren Mann innehalten.
    »Sir?«
    An die Stimme konnte sich Catherine
gut erinnern, doch die formelle Anrede überraschte sie. In ihren Kreisen wurden
Väter nicht »Sir« genannt.
    »Es ist wohl angezeigt, daß du ins
Arbeitszimmer kommst.« Dann verschwand Mr. Forrester. Die Tür ließ er, wie zur
Betonung seines Befehls, offen.
    Wären die Umstände andere gewesen,
hätte Clay Forrester Catherine sicher leid getan. Er pfiff nicht mehr. Sie
hörte nur seine Schritte, als er die Treppe wieder hinunterging.
    Die Arme hielt sie um ihren Leib
gepreßt und kämpfte gegen ihre unerwartet aufsteigende Panik an. Oh, wenn er
mich nur nicht sieht! flehte sie, obwohl der gesunde Menschenverstand ihr
sagte, daß sie ihm wieder begegnen mußte. Früher oder später würde er wissen,
daß sie hier war.
    Das Herz schlug ihr in der Kehle;
Verlegenheit hatte ihre Wangen gerötet. Er trat vor den Spiegel und überprüfte
sein Aussehen. Einen Moment lang schien er verwundbar zu sein, da er weder
wußte, daß er beobachtet wurde, noch, was ihn im Arbeitszimmer erwartete. Aber,
sagte sie sich, er ist nicht nur reich, sondern auch ein Snob. Er verdient, was
auf ihn zukommt.
    Er machte eine Bewegung und sah sie
im Spiegel. Seine Augen signalisierten Überraschung, dann drehte er sich sofort
zu ihr um. »Oh, hallo«, grüßte er sie. »Ich habe Sie nicht gesehen. Sie hatten
sich ja dahinter versteckt.«
    Ihr Herz schlug noch immer wie wild, aber sie
nickte ihm nur mit ausdruckslosem Gesicht zu. Sie hatte ihn nie wiedersehen
wollen; auf diese Begegnung war sie nicht vorbereitet gewesen.
    »Entschuldigen Sie bitte«, fügte er
höflich hinzu, als spräche er zu einem der Klienten seines Vaters, die dort oft
warteten. Dann ging er ins Arbeitszimmer.
    Von dort ertönte der Befehl seines
Vaters: »Mach die Tür zu, Clay!«
    Sie schloß die Augen.
    Er erkennt mich nicht wieder, dachte
Catherine. Wegen dieser Erkenntnis hätte sie plötzlich, aus unerklärlichen
Gründen, weinen mögen, obwohl das irrsinnig war, denn sie hatte doch gehofft,
er würde sie als Fremde behandeln – was er ja getan hatte.
    Ihren aufsteigenden Tränen machte
Zorn Platz, denn Catherine Anderson erlaubte sich keine Gefühlsausbrüche. Nur
Schwächlinge weinen! Oder Narren!
    Aber Catherine war weder das eine
noch das andere, wenn auch die Umstände jetzt gegen sie sprachen, aber in
vierundzwanzig Stunden würde alles anders aussehen.
    Hinter der geschlossenen Tür
explodierte Clay Forresters Stimme. »Wer?« Sie riß die Augen auf.
    Er erinnert sich nicht an mich, erkennt
mich nicht, dachte sie wieder und fand sich mit der Tatsache ab.
    Die Tür zum Arbeitszimmer wurde
aufgerissen. Clay Forrester stand im Rahmen. Der Blick seiner grauen Augen
durchbohrte sie. Sie erwiderte ihn scheinbar gleichgültig und entspannt. Seine
ganze Haltung drückte aus, daß er kein Wort glaubte von dem, was dort drinnen
gesagt worden war. Breitbeinig, mit in die Hüften gestemmten Fäusten, musterte
er sie, ließ seinen Blick bis zu ihrem Bauch schweifen, sah ihr dann wieder in
die Augen. Ihre Indifferenz entging ihm nicht.
    Sie empfand diesen Blick wie einen
Schlag ins Gesicht und heftete den ihren auf seinen Mund, an den sie sich so
gut erinnern konnte, auch wenn ihre
Begegnung nur so kurz gewesen war. Aber da sie nichts über ihn wußte, entschied
sie, vorsichtig zu sein, und schwieg.
    »Catherine?« sagte er schließlich.
Sie glaubte, seinen Atem zu sehen, so kalt war das Wort.
    »Hallo, Clay, antwortete sie obenhin
und wahrte ihre falsche Distanz.
    Sie stand auf. Wie selbstsicher sie
wirkt, fast hochmütig, dachte Clay Forrester, überhaupt nicht ängstlich – und
sicherlich
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