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Sklavin des Herzens

Sklavin des Herzens

Titel: Sklavin des Herzens
Autoren: Johanna Lindsey
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    Barka, Barbarenküste, im Jahr 1796
    In der Straße der Juweliere schloß der Perlenhändler Abdul ibn-Mesih seinen Laden, da er den Singsang des Muezzin erwartete, der die Gläubigen zum Gebet rufen würde. Abdul blieben noch mindestens zehn Minuten, doch er wurde allmählich alt, seine Knochen schmerzten und verlangsamten seinen Schritt, so daß er das Haus jeden Tag frühzeitig verlassen mußte. Solange er es noch schaffte, zog er es vor, zur nächstgelegenen Moschee zu gehen, anstatt es seinen weniger frommen Nachbarn gleichzutun und den Gebetsteppich zu benützen, den er im Hintergrund seines winzigen Ladens aufbewahrte. So befand er sich nun allein auf der Straße und war demnach auch der einzige Zeuge des Mordes.
    Der junge Türke und der große, schwarzgekleidete Mann, der ihn verfolgte, rannten direkt an Abdul vorbei, ohne den Perlenhändler zu beachten. Wenn sie nur um die Ecke und aus dem Blickfeld des alten Mannes verschwunden wären, hätte er in dieser Nacht keine Alpträume haben müssen. Doch der Schwarzgekleidete holte sein Opfer am Ende der Straße ein und spaltete es mit seinem Krummsäbel in zwei Teile. Eine kurze Untersuchung der Leiche förderte irgendein Papier zutage, dann entfernte sich der Mörder, ohne sich noch einmal umzudrehen. Er ließ den Türken einfach liegen; Blut rann in Strömen über das Kopfsteinpflaster der abschüssigen Straße – eine Einladung an die Fliegen, sich gütlich zu tun.
    Abdul ibn-Mesih beschloß, an diesem Nachmittag auf den Besuch der Moschee zu verzichten. Als die Muezzins von den Höhen der vielen Minaretts in der Stadt zur Andacht riefen, kniete der Perlenhändler auf seinem Gebetsteppich im Hintergrund seines Geschäfts und überlegte, daß er schon allzulange nicht mehr auf dem Land gewesen war, wo seine Tochter lebte. Ein Aufenthalt bei ihr war fällig – vielleicht ein recht ausgedehnter.
    Später an diesem Nachmittag wurden noch zwei weitere geheime Kuriere Jamil Reshids getötet, ehe sie Barka verlassen konnten. Einer fiel in einem Kaffeehaus vergiftet vom Stuhl. Der andere wurde mit durchschnittener Kehle in einer Gasse gefunden. Die Schnur, mit der man ihn erdrosselt hatte, hing noch um seinen Hals.
    In jener Nacht rasten vier Kamele westwärts auf Algerien zu. Der Mann an der Spitze war wiederum ein glückloser Palastkurier. Seine drei Häscher kamen ihm immer näher und rissen ihn schließlich von seinem Reittier. Er starb ebenso schnell wie die anderen.
    Der eine, der ihn getötet hatte, war ein griechischer Moslem und an diese Art von Arbeit gewöhnt. Bei seinen beiden Komplizen handelte es sich um Araber, Brüder, die aus einer alten Familie stammten, deren Treue zu den Beis von Barka bekannt war. Natürlich verspürten die Brüder wegen ihrer Verwicklung in diese nächtliche Untat gewisse Schuldgefühle, zumal der ältere der beiden am Wochenbeginn bereits einen Mann ermordet hatte.
    Sie waren genauso schuldig wie der Grieche und alle übrigen Killer und würden auf dem Richtblock enden, wenn man sie erwischte. Wegen eines Beutels voller Gold den eigenen Kopf und die Ehre der Familie zu riskieren, bedeutete vielleicht den Gipfel der Dummheit. Doch der Preis des Verbrechens war zu verlockend gewesen – das Gewicht des Goldes wog zu schwer. Also nahmen sie das Wagnis auf sich. Die Schuldgefühle reichten nicht aus, auf den neugewonnenen Reichtum zu verzichten.
    Lysander, der Grieche, bemächtigte sich der Botschaft, die der Ermordete bei sich getragen hatte, und entzifferte sie mit einiger Mühe im bleichen Licht des Mondes. Dann stieß er einen Zorneslaut aus und reichte sie dem älteren der Brüder. »Es ist wieder dasselbe«, sagte er.
    »Hast du etwas anderes erwartet?« fragte der jüngere Araber.
    »Ich habe es gehofft«, erwiderte Lysander knapp. »Derjenige, der die echte Nachricht aufspürt, bekommt einen zusätzlichen Beutel voll Gold. Ich möchte derjenige sein.«
    »Wie wir alle«, bemerkte der ältere der Brüder und steckte den Brief sorgfältig in sein Gewand, » Er will jede Botschaft sehen, auch wenn es immer wieder dieselbe ist.«
    Wer mit »er« gemeint war, mußte nicht extra erklärt werden. Sie wußten es, auch wenn sie seinen Namen nicht kannten und ihren Auftraggeber nie richtig zu Gesicht bekommen hatten. Sie ahnten nicht einmal, ob er es war, der Jamil Reshids Tod wünschte, oder ob er nur als Mittelsmann fungierte. Jedenfalls zahlte er gut und kassierte jeden Brief, den die Palastkuriere bei sich trugen.
    Dennoch
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