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Lass den Teufel tanzen

Lass den Teufel tanzen

Titel: Lass den Teufel tanzen
Autoren: Teresa De Sio
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hier, und der Kolben steht still. Dann noch den Schlauch aus dem Beatmungsgerät ziehen, eine kleine, unbedeutende Handbewegung, und deine Musik verstummt für immer, Vater.
    Mein Vater kämmt mir das Haar, Karneval 1956
    MEIN VATER KÄMMT mir das Haar. Meine Haare, die sind kastanienbraun und so glatt und fein, dass sie nach dem Kämmen nie so aussehen, wie man will. Ich finde meine Haare eklig. Mein Vater streichelt mir über den Kopf, über die Haare und streift mir den Armreif aus weißem Kunststoff über, auf den drei blaue und gelbe Blümchen aus Filz genäht sind. Er sagt: »Schau nur, wie schön du bist! Anders, als wenn du so zerlumpt und schmutzig herumläufst, dass sie dich im Dorf schief anschauen!«
    Mein Vater sagt nur diese Worte zu mir, nie mehr, und nur dann, wenn wir dorthin müssen. Er zieht mir das Kommunionkleidchen an, das wunderschön ist, weiß und lang und an der Taille mit gerafftem Organzastoff besetzt, und dann setzt er mir den metallenen Haarreif mit den vielen kleinen weißen Stoffblümchen auf, an dem auch der Schleier festgemacht ist, das Allerschönste an diesem Kleid, und an dem Tag vor meiner Kommunion – dem, der in Wirklichkeit passiert ist und nicht in dem bösen Traum – konnte ich es kaum glauben, dass ich wirklich so ein schönes Kleid haben sollte, wie eine Fee, eine Prinzessin. Ich hatte auch einen Rosenkranz und weiße Spitzenhandschuhe mit zwei Knöpfen am Handgelenk, damit sie mir nicht von den Händen rutschen und ich sie verliere, und auch das Gebetbuch, das mir die
Nonnen geschenkt hatten und das einen Einband aus Perlmutt hatte, und ich dachte, das ist so wertvoll, dass sie mich bestimmt umbringen, wenn ich es verliere, weshalb ich es den ganzen Tag fest in der Hand behielt. Jetzt jedoch, da wir dort hinübergehen, da ist das Gebetbuch nicht dabei, weil es nicht gebraucht wird, und auch der Rosenkranz nicht. Die Handschuhe ja, ich weiß schon, dass ich sie zuerst anhaben und dann, wenn der Alte es will, ausziehen muss. Mein Vater wird sie nehmen, wenn er wieder diese komische Stimme bekommt, ganz kurzatmig, als würde er schnell eine Treppe hochsteigen, aber da ist gar keine Treppe, und ich verstehe nicht, warum Papa irgendwann immer anfängt, so zu sprechen. Er sagt: »Komm, sei lieb, und gib sie dem Papa, die Handschuhe, ich halt sie für dich.«
    Ich bin jetzt dreizehn Jahre alt, und man weiß ja, mit dreizehn sind die Häuser und die Möbel und alle Sachen nicht mehr so riesig groß wie damals, als du noch ganz klein warst und dir alles vorkam wie eine dunkle Märchenwelt voller Menschenfresser, als die Zimmer dir noch riesig groß erschienen und bei Tag immer im Halbdunkel lagen, und bei Nacht nur von einem schummrigen Licht beleuchtet, und wenn du schon im Bett lagst, aber noch nicht schliefst, dann hörtest du im Zimmer nebenan die Erwachsenen reden und hattest das Gefühl, beschützt und in Sicherheit zu sein. Nein, mit dreizehn beginnst du die Welt genau so zu sehen, wie sie ist, und du fängst an, Angst zu haben. Und genau in dieser engen, furchterregenden Welt gebe ich meinem Vater die Handschuhe, jedes Mal.

    Es geschieht immer auf die gleiche Art und Weise, so wie alle anderen Male, wie etwas, das einfach so gehen muss und nicht anders.
    Jetzt sind wir hier, im Haus von Angelo Santo. Es ist niemand da, außer mir, meinem Vater und dem alten Mann. Die beiden alten Hexen, die Zwillingsschwestern, sind ausgegangen, auf das Fest. Während wir auf dem Weg hierher waren, haben wir sie gesehen, wie sie mit einem Päckchen in der Hand in Richtung Dom gingen, gegen den Strom der Maskierten.
    Vier Kerzen brennen auf der Anrichte und zwei auf dem Tisch, so wie wenn es ein Gewitter gibt und der Strom ausgefallen ist. Dann muss man Kerzen anzünden, und alles wird wie im Traum, viel langsamer, und keiner macht mehr das, was er einen Moment vorher noch getan hat, er bleibt einfach, wo er ist, und wartet, bis der Strom wieder da ist und damit auch das wahre, richtige Leben. Aber heute Nacht ist kein Gewitter, nur ein bisschen Wind ist aufgekommen, also was sollen dann die Kerzen? Der Alte ist geizig, er will sparen. Die Küche ist groß, aus Stein und Holz. Auf dem Treppenabsatz steht eine große Schüssel mit Faschingskringeln, die vielleicht die Zwillingsschwestern gebacken haben, bevor sie das Haus verließen. Ein starker Geruch nach Schmalzgebäck heftet sich an mein weißes Kleid. Ich denke, Donna Aurelia wird es gleich waschen wollen, wenn sie es morgen früh
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