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Lass den Teufel tanzen

Lass den Teufel tanzen

Titel: Lass den Teufel tanzen
Autoren: Teresa De Sio
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es fast fertig, ganz fein und hell … Dann erkläre ich Ihnen noch das mit der Menge, und Gott sei’s befohlen, machen Sie dabei keinen Fehler! Auch wenn schon das neue Jahrtausend angebrochen ist und Sie eine moderne Frau aus der Stadt sind, kann auch Ihnen ein Missgeschick passieren, und dann geben Sie mir die Schuld. Ach, Signorina, Sie gehen auf die Universität – wie kommt
es dann, dass Sie sich für die Angelegenheiten von uns armen Leuten interessieren? Was sagen Sie, die Tarantel? Die Tarantella? Von wegen Tarantella – es war der Hunger, der uns allen das Hirn weggefressen hat …
    Jedenfalls wusste man bei ihr, also bei meiner Schwester, schon von Geburt an, dass sie nicht gesund war. Und was für eine Eile sie hatte, in dieses Tal der Tränen geboren zu werden! Zweieinhalb Monate kam sie zu früh zur Welt, und meine Mutter hatte überhaupt noch nicht mit ihr gerechnet, rein gar nicht, die Ärmste. Dabei hatte ihr schon die Schwangerschaft reichlich zu schaffen gemacht. Es war im November 1945, Allerheiligen, und ich war acht Jahre alt, als bei dieser armen Frau urplötzlich die Wehen einsetzten, an der Friedhofsmauer von Procida, wo wir wie alle Jahre hingegangen waren, um Blumen ans Grab ihrer Eltern zu bringen. Gerade noch rechtzeitig hat man sie aufgefangen und ganz schnell nach Hause gebracht, damit sie in ihrem eigenen Bett gebären konnte. Mein Vater schickte nach Donna Aurelia, der Apulierin, die sich so nannte, weil sie aus Specchia kam. Sie war sogar über drei Ecken verwandt mit meinem Vater. Und diese Donna Aurelia kam auf der Stelle, weil sie als Hebamme arbeitete, und half ihr beim Gebären. Archina war winzig klein, als sie herauskam, und von einer Art Blase umhüllt, die ganz rot vom Blut war. Die Hebamme sagte, die Blase komme aus dem Mutterleib, und das sei eine gute Sache, weil das kleine Mädchen schon im Hemd geboren sei, und dass wir die Blase gleich in den Bach werfen sollten, damit der Mutter nicht die Milch versiegt und die Kleine wächst und gedeiht. Aber ich glaube, das haben wir in der Aufregung vergessen …

    Sehen Sie, Signorina, ich bin schon alt, ganze siebzig bin ich schon, und ich kann Ihnen sagen, da kommen wir auf die Welt und wissen unser ganzes Leben lang nicht, was von einem Moment auf den anderen passieren wird. Weder unser Schicksal kennen wir, noch den Tod. Und wie er sein wird, dieser Tod, dabei reden sie schon davon, wenn wir noch klein sind, und machen uns Angst davor, aber wer will es wirklich wissen, was für eine Fratze er hat, dieser Tod … und wann es sein wird und wo … daheim … im Bett… oder an irgendeinem unbekannten Ort. Und wer kann es schon sagen … ganz gleich, was du machst, irgendwann stehst du vor ihm, vor Gevatter Tod. Kein Mensch weiß, was für ein Päckchen er zu tragen hat …
    Bei Archina war das anders. Die wurde geboren, und mit ihr, im selben Bett, kam auch ihr Schicksal zur Welt. Ich glaube fest daran, dass alles vorherbestimmt ist!
    Jedenfalls gingen während der Geburt seltsame Dinge vor sich. Ich war noch so klein, aber ein bisschen verstand ich schon, wenn auch nur wenig. Ich glaube, sie schrien alle durcheinander … ja, ja, so war es, meine Mutter kreischte, dass sie diese Tochter nicht wolle, dass sie ihr den Leib gesprengt und sich nach draußen gefressen habe, und mein Vater brüllte von hinter der Schlafzimmertür, sie solle still sein, sonst würde die Madonna sie bestrafen, und Donna Aurelia rief, dass sich das kleine Mädchen mit der Nabelschnur erdrossle, und Desinfektionsmittel gebe es auch keines.
    Was soll ich Ihnen sagen, so war es. Oder zumindest habe ich es so in Erinnerung.
    Meine Mutter hatte nach der Entbindung plötzlich ein ganz weißes Gesicht, sie hörte mit dem Schreien auf und
sagte nichts mehr. Das kleine Mädchen brachten die Frauen gleich in das andere Zimmer, weil sie meinten, der armen Frau könne man es nicht anvertrauen, so viel, wie sie gelitten habe, zumal es dem kleinen Neugeborenen auch nicht gut ging, weil es ja so klein war und, wie Donna Aurelia befürchtete, gar nicht überleben würde. Noch hatte das kleine Ding keinen Namen, und so sagte Donna Aurelia zu meinem Vater, er müsse die Madonna dell’ Arco um Gnade anflehen, und wenn sein Töchterchen nicht sterbe, müsse er es auf den Namen Archina taufen. Und so machte er es. Doch er vergaß, die Madonna auch für meine Mutter um Gnade anzuflehen, denn am Tag darauf bekam sie ein heftiges Kindbettfieber und verstarb. Und das
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