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Lass den Teufel tanzen

Lass den Teufel tanzen

Titel: Lass den Teufel tanzen
Autoren: Teresa De Sio
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Panorama dort unten anschaute, diese überschwemmte, tote, stumme Welt.

    Doch damals, in jener Karnevalsnacht an unserer steinernen Krippe, in der Küche von Terranera, hatte ich mich nicht retten können.
    In jener regungslosen Zeit begannst du wieder, mich am Arm zu zerren, und versuchtest, mich aus der Küche und zum Hintereingang zu ziehen, und du sagtest leise: »Gehen wir, es ist schon spät, und deine Schwester ist allein zu Hause. Los jetzt.« Erinnerst du dich, Papa? Da hob ich die Spitzenhandschuhe auf, die zu Boden gefallen waren, versuchte, wenigstens in einen Ärmel des weißen Kleidchens zu schlüpfen, während du mich fortzerrtest. Trotzdem sah ich noch Narduccio, der hinter der Glastür weglief und wie ein Verrückter in den hinteren Teil des Gartens rannte. Ich sah, wie er stehen blieb, mit dem Rücken zu mir, keuchend, wie er sich die Perücke vom Kopf riss und sie zu Boden schmiss. Und dann, wer weiß, vielleicht kehrte er ja zum Eingang der Küche zurück. Vielleicht ging er ja hinein und sprach mit Angelo Santo … Wir aber waren schon draußen auf den Feldern. Und das war das letzte Mal, dass ich Narduccio sah. Du zerrtest mich am Ärmel, sodass ich laufen musste. Und wir rannten und rannten in dieser Finsternis, die um uns herum herrschte.

    Erinnerst du dich noch an diese Dinge, Papa? Oder hat der Tod, der allmählich auf dich zukommt, bereits mit seiner Arbeit begonnen und radiert alles aus?
    Und was konntest du an jenem Punkt tun? Narduccio hatte euch gesehen!
    Du wusstest, dass Filomena und ich das Stechapfelpulver zubereiteten. Du wusstest auch, wo wir es versteckten. Und was gehörte schon dazu? Du nimmst ein bisschen davon, gehst unter dem Vorwand, nach mir zu suchen, zu Narduccio und schüttest es ihm ins Likörglas, wenn er es nicht merkt.
    Es hieß, ich hätte zu viel Zeit mit Narduccio verbracht. Und was er wohl alles mit mir machen würde. Erinnerst du dich, Papa? Genau! Ich war immer bei ihnen, und warum behielt mich Donna Mariannina immer dort? Und wer wollte ihn denn auch in Schutz nehmen, diesen »gottlosen Kommunisten«, wie die Leute ihn nannten, der noch dazu jünger war als seine Frau? Angelo Santo hingegen – der war doch eine angesehene Persönlichkeit, und gottesfürchtig noch dazu! Und du, alter Scheißkerl? Nicht aufhören, spiel, spiel! Spiel, Nunzio will dich hören. Pizzicarella mia, pizzicarellaaaa. Spiel deine Totenmusik. Was da im Gutshof passierte, das ging niemanden etwas an. Alle im Dorf wussten, wessen Kind Severino war, aber es war leichter, den Mund zu halten und so zu tun, als hätte man nichts bemerkt. Schließlich gab der Gutshof von Terranera vielen Menschen Arbeit, die jede Menge Münder zu stopfen hatten … Und wer war denn auch diese Virginia? Die Sapúta … Eine, die, wäre Angelo Santo nicht gewesen, im Leben nichts anderes hätte machen können, als auf den Strich zu gehen, und stattdessen
Friseurin geworden war. Und dann … man setzte nicht einfach so Kinder in die Welt, wie die Tiere. Das war einfach eine unangenehme Sache mit diesem Severino, nicht wahr, Papa? Und was hat er diesen beiden alten Hexen, Fatima und Candelora, für Angst und Schrecken eingejagt! Vielleicht würde er ihnen ja eines Tages sogar den Gutshof abnehmen, und alles andere auch. Nein! Da sagte man lieber, er sei der Sohn irgendeines entfernten Verwandten. Da ließ man ihn lieber in Neapel auf die Schule gehen, in einem schönen Nonnenkloster! Hauptsache, ganz weit weg! Was waren das für gute Menschen, diese Santos! Nicht so wie Mariannina und Narduccio Greco, diese gottlosen Kommunisten! Und so hatte eben Archina Solimene dem Narduccio das Gift gegeben, weil der sie belästigte.
    Mittlerweile konnte Narduccio nichts mehr dagegen sagen. Und ich? Wie konnte ich mich rechtfertigen, Papa, wenn du mich nicht in Schutz nahmst? Wer sollte mir schon glauben, mir, Archina, der Verrückten, der Verwirrten? Niemand konnte wissen, dass erst du mich zur Verrückten gemacht hattest. Und so habt ihr mich nach Procida zurückgeschickt. Besser, es liegen viele Kilometer zwischen mir und der Polizeiwache von Mangiamuso. Und du? Was hast du gemacht? Hast du den alten Scheißkerl erpresst? Das hättest du tun können … Die einzigen Zeugen waren ein toter Kommunist und die kleine Verrückte, die ihn angeblich umgebracht hatte und die längst weit, weit weg geschickt worden war, in ein Land, das von einem »anderen« Meer umspült wurde. Außerdem war dieser Alte viel zu krank, viel zu
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