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Lass den Teufel tanzen

Lass den Teufel tanzen

Titel: Lass den Teufel tanzen
Autoren: Teresa De Sio
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bleiben ihm auf den Fersen. Auf ihrer Verfolgungsjagd treten sie auch die Tische um, die noch stehen geblieben sind, und zerschlagen mit den Knüppeln ein paar Flaschen und Gläser, einfach so, nur zur Einschüchterung. Dann biegen auch sie in die kleine Straße ein, die zur Kirche Santa Maria Maddalena führt, während die Amerikaner ihnen zurufen: » Hey, men! What’s going on? What the motherfucking hell’s happening here?« Doch die Polizisten geben keine Antwort, sondern verschwinden hinter der Ecke.

    In dem allgemeinen Durcheinander sind auch einige Stühle umgestürzt, der eine oder andere Cappuccino ist durch die Luft geflogen, und die Tassen liegen in Scherben auf dem Kopfsteinpflaster. Von der gegenüberliegenden Seite des Pantheons wird jetzt das Lärmen des Protestzugs immer lauter, der sich von der Piazza Argentina her nähert. Die beiden Studenten und die drei Bereitschaftspolizisten sind offenbar Teil eines jener gewalttätigen und im Grunde unverständlichen Scharmützel, wie sie sich des Öfteren am Rand von Demonstrationen ergeben. Mittlerweile ist vor der Bar keine Menschenseele mehr zu sehen. Die Kellner haben die Rollläden heruntergelassen und sich drinnen eingeschlossen, um abzuwarten, bis alles vorbei ist. Die amerikanischen Soldaten, die auf schnelles Reagieren trainiert sind und zunächst in einer angrenzenden Gasse in Deckung gegangen waren, kommen mit vorsichtigen Schritten wieder hinter der Ecke hervor, um nachzusehen, was um alles in der Welt
auf dem kleinen Platz vorgeht. Menschen wie diesen Soldaten, die gerade einen richtigen Krieg erlebt haben, muss das Geschehen bestenfalls wie ein harmloses Jahrmarktstreiben vorkommen. Jetzt herrscht Ruhe.
    Unter den Tischen ist alles Mögliche liegen geblieben. Der Schuh von einem der Japaner, drei oder vier Zeitungsseiten, ein Tausendlireschein.
    Auch der Tisch, an dem Archina und Severino gesessen haben, ist umgestürzt. Zwei Bücher von Severino sind heruntergefallen, viele Zettel mit Notizen herausgerutscht und wenige Meter von der mappatèlla entfernt auf dem Boden verstreut. Einer der Bereitschaftspolizisten hat in seiner Zerstörungswut dem Beutel beim Vorbeilaufen einen kräftigen Tritt versetzt und ihn ein paar Meter über den Bürgersteig geschleudert. Einen Moment lang bleibt die mappatèlla über der Öffnung eines Straßenschachts hängen, bewegt sich sekundenlang hin und her.
    In dieser kurzen Zeitspanne, viele Kilometer entfernt, in einem Frühling, der vorzeitig von der Sonne zum Glühen gebracht wird, hält Totò Leporàno, der schaufelweise Erde auf ein frisch ausgehobenes Grab in Mangiamuso wirft, einen Moment lang inne, drückt sein Kreuz durch, das Kreuz eines Siebzigjährigen, der sich immer noch guter Gesundheit erfreut, und wischt sich mit dem Arm den Schweiß von der Stirn. Er schaut die Frau an, die vor ihm, auf der anderen Seite des Grabes, steht. Die einzige Person, die dem Verstorbenen das letzte Geleit gibt. Da er erst vor ein paar Jahren, nach dem Tod von Angelo Santo, nach Mangiamuso zurückkehren konnte, kennt er auch folglich Donna Aurelia nicht, die nun den Sarg von Nunzio Solimene mit
einer Mischung aus Müdigkeit und jener Art von Erleichterung betrachtet, die den Kinogänger erfüllt, wenn nach einem schlechten Film das Wort Ende über die Leinwand flimmert.
    Totò Leporàno wirft eine letzte Schaufel Erde auf den Sarg.
    Viele Kilometer weiter nördlich ergießt sich aus dem seitlichen Abflussrohr der kleinen Bar vor dem Pantheon ein Rinnsal und fließt unterhalb des Bürgersteigs direkt auf die Stelle zu, wo Archinas Beutel über der Öffnung des Straßenschachts hängt. Jetzt hat das Wasser den Beutel erreicht, ergießt sich darüber, durchnässt den Stoff. Einen Moment lang hat es den Anschein, als würde die mappatèlla schwerer und bliebe dadurch am Kopfsteinpflaster hängen. Doch dann knickt sie nach unten ab, lässt sich von dem Rinnsal mitreißen – und verschwindet für immer in dem Schacht unter dem Bürgersteig.

    Die Menschen, die an den Tischen der Bar gesessen haben, sind längst in alle Winde verstreut und auf den kleinen, hübschen Straßen zwischen der Piazza Navona und der Piazza Capranica unterwegs. Binnen Kurzem verliert sich jede Spur von ihnen.
    Nur das Hippiemädchen mit der kaputten Gitarre steht noch wie erstarrt unter der Kolonnade der Kirche. Sie blickt auf die Überreste ihres Instruments hinab und weint schluchzend, wobei nicht klar ist, ob aus Angst oder wegen der kaputten
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