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Lass den Teufel tanzen

Lass den Teufel tanzen

Titel: Lass den Teufel tanzen
Autoren: Teresa De Sio
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Prolog

    Filomena und das Teufelskraut
    SEHEN SIE, SCHAUEN Sie hier, Signorina, wenn Sie diese ganz kleinen Blätter der Pflanze gepflückt haben – aber Sie müssen die nehmen, die nahe am Boden wachsen, weil die anderen nicht gut sind –, dann legen Sie die Blätter in eine Schale wie die hier, aus Holz, und dann müssen Sie sie mit einem Mörser ganz, ganz fein zerstoßen. Das dauert eine Weile, bis es ein helles Pulver gibt, sehen Sie, und das tut man in ein Glas, und wenn das jemand trinkt, dann merkt er das nicht, weil es eigentlich nach nichts schmeckt. Man nennt es stramunella, Stechapfelpulver . Genau so haben wir das früher immer gemacht, hauptsächlich meine Mutter, Gott hab sie selig, damals, als ich noch klein war. Sie hatte es von meiner Großmutter gelernt. Wenn man die richtige Menge nimmt, dann wird ein Mensch ganz weich und nachgiebig, wie soll ich sagen, und wenn er sich vorher nicht für Sie interessiert hat, ändert sich das. Nimmt man mehr, dann kann es passieren, dass er einschläft oder starke Schmerzen bekommt, und dann muss man den Arzt rufen. Macht man jedoch einen Fehler und nimmt zu viel, tja, niemand weiß genau, was dann passiert, aber es kann so weit gehen, dass die Person stirbt. Ich bin bei solchen Sachen immer ganz vorsichtig gewesen, und deshalb haben sie unserer Familie auch genützt, damals, als wir noch in Procida gewohnt haben, weil die Leute zu uns kamen, damit wir ihnen solche
Mittelchen anrühren. Dafür haben sie uns dann Geld gegeben oder auch andere Sachen, ein bisschen Mehl zum Beispiel, oder Zucker, was kein Geld war, aber trotzdem gegen den Hunger geholfen hat, denn damals besaßen wir kaum mehr als das Hemd auf unserem Leib, so arm waren wir. Es war Krieg, und unsere Mutter hat immer zu mir gesagt: »Filumè, leg die Hände nicht in den Schoß! Sich regen bringt Segen, und Fleiß bringt Brot, Faulheit Not.« Damals arbeitete unser Vater Solimene Nunzio im Kerker von Procida, der Terra Murata, den man deshalb so nannte, weil er uneinnehmbar auf einer hohen Klippe stand und immer noch steht, auch wenn es heute kein Kerker mehr ist. Er passte dort auf die Gefangenen auf.
    Jedenfalls müssen Sie sehr vorsichtig sein. Die Leute denken immer nur das Schlimmste, sie haben Angst, wissen nicht Bescheid … Lassen Sie es sich von mir sagen, die ich so viel älter bin als Sie … Wenn Sie wüssten, was wir wegen des Pulvers mit meiner Schwester Archina alles durchgemacht haben … Nein, Archina ist kein seltsamer Name, das können Sie nicht wissen, aber meine Schwester hieß deshalb so, weil die Schutzheilige der Insel Procida die Madonna dell’Arco ist und dort früher und sogar heute noch viele Mädchen zu Ehren der Heiligen Jungfrau auf diesen Namen getauft werden … Jedenfalls hat meine Schwester einmal einen Fehler mit dem Pulver gemacht und damit meine ganze Familie in den Ruin getrieben. Sie können sich daran nicht mehr erinnern, weil Sie noch zu jung sind und nicht von hier, aber damals haben die Leute aus Mangiamuso, nachdem das mit Narduccio Greco passiert war, gesagt, es sei die Schuld meiner Schwester. Wenn ich mich nicht irre, war das 1955 oder 56,
zur Zeit des Karnevals. Es war damals schon etwa zwölf Jahre her, dass wir hierher ins Salento gezogen waren, aber die Leute behandelten uns immer noch wie Fremde. Ich war Dienstmädchen bei den Grecos. Und dann hat mich Donna Mariannina, das war die Frau von Narduccio, aus dem Haus gejagt, denn wenn ich nicht bei ihr gearbeitet hätte, sagte sie, dann wäre auch Archina nie dorthin gekommen und hätte niemals Narduccio kennengelernt.
    Jedenfalls waren das ziemlich schlechte Zeiten für unsere Familie. Glauben Sie mir, Signorina, die Leute sind schrecklich, sie hören nicht auf ihr Herz und weiden sich am Unglück der anderen, und dann wird man ganz schnell an den Pranger gestellt… man wird verurteilt, weil man anders ist als sie, und selbst wenn einer überhaupt nichts damit zu tun hat, freuen sie sich, wenn sie ihm ins Gesicht spucken und seiner Familie die Schuld geben können. Und was haben sie mir ins Gesicht gespuckt, Signorina, was haben sie gespuckt! Was für ein Glück, dass die meisten dieser Unglückseligen längst selbst vor ihrem höchsten Richter stehen, und wären sie noch hier, da können Sie sicher sein, würden sie nach wie vor auf uns spucken …
    Aber jetzt habe ich Sie abgelenkt mit all diesen Geschichten, und Sie haben nicht mehr aufgepasst, wie ich das Pulver zubereite. Sehen Sie, nun ist
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