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Land Spielen

Land Spielen

Titel: Land Spielen
Autoren: Daniel Mezger
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Er muss an die gemeinsamen Abendessen denken, daran, dass man immer unterbrochen wird, wenn man etwas Wichtiges erzählen will, dass es immer heißt, dass das, was das Radio erzählt, gerade wichtiger sei. Und manchmal darf dann Moritz trotzdem zum Radio reden, er redet und versucht zu erklären, warum das gerade wichtig und wovon die Rede ist, aber niemand hört zu. Denn interessanter ist es, mit Ralf oder Ada heimliche Blicke auszutauschen und mit Löffel, Messer und Brot etwas zu machen, um die anderen zum Lachen zu bringen. Zum Beispiel nimmt Ralf ein Stück Wurst, hält es der Fleischverächterin Ada vor die Nase, diese kreischt »Iihh!«, verschluckt sich dabei beinahe an ihrem Lieblingskäse, »Psst!«, kommt es von den Nachrichtenhörern, man versucht, das Kichern glucksend zu unterdrücken, Ralf spießt das Wurststück auf die Gabel, tut, als wolle er Ada neuerdings angreifen, das Lachen steigt wieder im Hals auf, der Bauch zuckt, mit zusammengepressten Lippen schaut man Ralf an und Ada, deren Gesichter nun ebenfalls zucken, zu dritt versucht man, die Luft anzuhalten, bis der Erste aufgeben muss und herausplatzt, und auch die anderen kann kein »Psst!« der Welt mehr aufhalten, drei Kinder lachen laut heraus, bis auch die Erwachsenen am Tisch grinsen müssen, und obwohl sie doch gerade um Ruhe gebeten haben, scheinen sie sich gerne darüber zu ärgern, dass sie gerade den Zustand der Welt verpassen, und das Donnerwetter, das es geben sollte, findet nun ebenfalls lachend statt. Ralf nimmt wieder seine Wurstwaffe in die Hand, triezt nun auch Fabian damit und dann wieder Ada, Ada hält sich die Nase zu, wehrt sich mit einem auf die Gabel gespießten Stück Käse, »Hört auf!«, lachen Vera und Moritz. »Du hören gar nicht«, sagt unvermittelt Herr Mirko.
    Er wolle Fabian zeigen, wie man die richtige Festigkeit der Masse erfühle. Fabian lässt seine Hand an die Glibbermasse führen, drückt darauf herum, denkt an Ada und daran, ob er ihr das mit den Kälbern im Käse erzählen soll.
    *
    Der Förster ist schon weiter, wartet auf dem Weg auf Moritz, wieder bloß mit dem Kinn zeigt er auf dessen Füße: »Rechte Stiefel wären mal was, hm?«
    Sie gehen. Der Förster legt ein ziemliches Tempo vor, er scheint nicht außer Atem zu kommen dabei. Er ist deutlich jünger, als man vermuten würde, denkt Moritz und denkt, dass alle hier alt aussehen, viel älter als er selbst, obwohl man wahrscheinlich ungefähr denselben Jahrgang hat.
    Der Förster sagt, er, Moritz, hätte ihn, den Förster, gestern benachrichtigen sollen. Der Förster macht eine Pause, er nimmt sich Zeit für seine Sätze, spricht sie ins Leere. Gestern sei Feuerwehr gewesen. Der Förster spricht auch ohne Stumpen im Mund so weit hinten im Hals, dass es nicht jedes Wort wirklich bis über die Lippen schafft. Das ganze Dorf hätte dann bei der Suche geholfen.
    Moritz nickt halb abwesend, es scheint die angemessene Reaktion zu sein.
    Sie gehen.
    Moritz sagt, er hoffe, dass es dem Jungen wieder besser gehe. Es tue ihm alles sehr leid.
    Sie gehen.
    Der Förster sagt: »Was auch immer die Jungs da geritten hat.«
    Sie gehen.
    Der Förster sagt, dass der Lehrer ihn heute angerufen habe. Und für den Felsbrocken da, da müsse man wohl einen Bagger bestellen.
    Moritz ist noch immer ungewohnt still, hält heute die Pausen aus wie ein Einheimischer, Fragen stellt er nicht, auch der Impuls, in der Luft hängen gebliebene Satzfragmente zu vervollständigen, fehlt heute gänzlich.
    Er schwitzt, versucht, das Tempo zu halten, sieht selbst aus wie ein geprügelter Schulknabe.
    Der Förster sagt, er hoffe, dass Moritz bald die ganze Gemeindeschreiberstelle übernehmen könne, es brauche die Neuen, sonst könne man den Laden bald dichtmachen. Einen neuen Lehrer finde man wohl auch nicht so schnell. Und man rede schon überall über Gemeinden, die man andernorts zusammenlegen würde. Der Förster nennt es »eine missliche Idee«.
    »Misslich …«, wiederholt Moritz, erntet einen kurzen Seitenblick des Försters.
    Die müssten sich an die Neuen gewöhnen, sagt der Förster scheinbar zusammenhangslos. Was er, Moritz, glaube, wie die Leute geschaut hätten, als er damals mit einer Philippinerin angekommen sei.
    Ein tonloses Lachen, mehr ein Husten.
    Aber an die Italienerinnen habe man sich damals ja auch gerne gewöhnt.
    Dazu seltsamerweise kein Lachen.
    Sie gehen, nun kneift auch Moritz die Augen zusammen, der Nebel hat sich langsam aufgelöst, die Sonne blendet.
    Ohne
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