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Land Spielen

Land Spielen

Titel: Land Spielen
Autoren: Daniel Mezger
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aufzuhalten, die ja doch nur wieder vergeblich sein würde.
    Und Ada hörte, wie Christines Stimme brüchiger wurde, als sie versuchte, lustig zu sein, als sie sagte, sie könne es schon verstehen, warum es kein Kind in ihrem Körper aushalten wolle, in dem sie es selbst seit nun schon einunddreißig Jahren aushalten müsse. Einunddreißig Jahre Unwohlsein in der eigenen Haut, in der kein anderer stecken wolle, weil sie viel zu dünn sei, zu schlecht schütze, eine Haut, die den kleinen, viel zu verletzlichen Menschen darin viel zu schlecht verberge, ein Mensch, der doch nur endlich ankommen wolle im Leben und deswegen einem noch kleineren Menschen das Leben schenken wolle, ob dieser sich das nun gewünscht habe oder nicht … Ada wusste nicht, von welchen Menschen Christine redete, auch die anderen schienen den Witz nicht zu begreifen, denn außer Christine, die ein tapferes Gesicht zu machen versuchte, lachte niemand.
    Nein, es habe keinen Zweck, diesen Bauchinhalt zu lieben, sagte Christine.
    Als das Kind dann doch in ihr bleiben zu wollen schien, schien es Andreas zu sein, der kalte Füße bekam: Er verließ Mutter und Bauch, kehrte dann allerdings wenige Wochen später zurück. Man beschloss einmal mehr, es nochmals zu versuchen, entschied, die Sache doch gemeinsam durchzuziehen.
    Und der Bauch wuchs und wuchs, und kurz bevor er platzte, entschied das Kind, dass es den temporären Aufenthaltsort nun doch verlassen wollte.
    Im Krankenhaus durfte man das Mädchen anschauen gehen, sah vor allem Christine, die bleich und matt im Krankenhausbett lag.
    Auch diesmal kamen die glänzenden Augen nicht von der Freude, zum Lieben schien die Mutter noch zu erschöpft. Zu erschöpft vom Bangen, vom Fürchten, und zu erschöpft von der Geburt, die schwer war. Achteinhalb Monate hatte der Bauch geschafft, das Kind festzuhalten, achteinhalb Monate lang hatte die Festhalterin gezweifelt, hatte ihren Kinderwunsch verwünscht. Und jetzt war es hier, der Rausch der Hormone ließ langsam nach, und was blieb, war dieser Nachgeschmack im Mund wie nach einer monatelang durchzechten Nacht, diese Kopfschmerzen von zu vielen körpereigenen Drogen.
    Ada betrachtete Christine, und sie konnte sich nicht wehren, sie verliebte sich, wie sie sich immer verliebte. Sie streichelte die Patientin heimlich am Arm, als sie niemand beobachtete, Christine schenkte ihr ein mattes Lächeln. Dann kam Andreas und Ada wurde aus dem Zimmer gezogen, es reichte bloß noch für einen letzten Blick ins Kinderbettchen und für die Gewissheit, dass es eigentlich dieses Neugeborene war, das Adas Liebe verdient hätte.
    Man betritt die Küche. Ada druckst noch mehr herum als Moritz, schleicht den anderen in sicherer Distanz hinterher. Da ist es nun wieder, das Kind, größer ist es geworden, Adas Aufgabe ist dieselbe geblieben.
    Endlich könne man einmal froh sein, dass es hier drin so kalt ist, witzelt Vera. Andreas fragt nach dem neuen Ofen. Doch, doch, er sei die Investition wert gewesen, den „ersten Winter habe er sich gut geschlagen, auch wenn er leider hässlicher sei als der alte und wir jetzt hoch verschuldet. Während Moritz Hände und Gesicht wäscht, macht Andreas einen Schritt ins Wohnzimmer, tätschelt den Ofen, nennt ihn »gar nicht so schlimm«. Moritz kommt dazu: »Sollen wir mal einfeuern?« Man lacht höflich, lacht freundlich, wirkt distanziert, dann drückt Andreas Moritz die Tochter in den Arm, unsicher wirkt unser Ältester, als habe er vergessen, wie man kleine Kinder halten soll. Andreas beobachtet ihn, während er Veras beiläufige Fragen beantwortet: »Wie alt ist sie denn nun eigentlich genau, schläft sie durch, geht es euch gut?«
    Christine liege gerade flach und brauche etwas Ruhe, er, Andreas, habe ein Vorstellungsgespräch, und da könne er die Kleine eben schlecht mitnehmen.
    Ada wartet darauf, dass der unermessliche Drang in ihr hochsteigt, dieses Kind ebenfalls zu halten, doch er bleibt aus, statt Kribbeln im Magen ist da bloß Leere, und daher ist sie froh, als Vera fragt, ob Andreas vorher noch einen Happen mitessen wolle.
    Man setzt sich an den Küchentisch, Andreas nimmt das Baby wieder entgegen, es gibt Wurst (für Vera, Moritz, Ralf, Fabian, Andreas) und Käse (für Ada), die Kleinste am Tisch darf an einer Brotrinde herumsaugen. Hunger scheint sie zu haben, auch Andreas bemerkt es, sagt, er habe noch Brei im Kinderwagen, drückt den Säugling diesmal Vera in die Arme, auch sie wirkt unbeholfen, scheint froh, als Andreas
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