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Land Spielen

Land Spielen

Titel: Land Spielen
Autoren: Daniel Mezger
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mit dem Glas zurück ist.
    Die Kleine will den Löffel selbst halten, schmiert sich fröhlich Brei ins Gesicht, alle Blicke sind auf sie gerichtet, auch wenn Moritz unruhig wirkt (wohl wegen der Wiese, die noch nicht einmal fertig gemäht ist) und Andreas nervös scheint (wohl wegen des Vorstellungsgesprächs) und selbst Ada sich das Geschmiere nicht anschauen will. Die Rolle der Jüngsten, der Kleinsten, der Süßesten ist eigentlich bereits vergeben, und mit der Rolle kam Ada offenbar auch ihre Gabe abhanden.
    Die Kleinste am Tisch versucht, mit breiverschmierten Fingern in Andreas’ Gesicht herumzustochern, er wehrt sie ab, sagt, das gehe jetzt nicht, er müsse gleich los und da müsse er ordentlich aussehen. Das stoppt die Finger nicht, Andreas muss kleine Handgelenke festhalten, Vera, die neuerdings fürs Reden zuständig scheint, fragt: »Wo bewirbst du dich denn?«
    Der Ex-Dorflehrer zieht eine Grimasse, sagt: »Im Nachbardorf …« Ein wenig albern sei das ja schon, aber nach einem Jahr Stellvertretungen habe er wieder Lust auf eine richtige Arbeit, und das sei dann nur noch eine Klasse auf einmal und irgendwoher müsse das Geld ja kommen. Bis sich etwas Besseres finde. »Bist du dann wieder unser Lehrer?«, fragt Fabian. »Mal schauen«, antwortet Andreas.
    Fabian macht einen Laut, der Unmut bekunden soll, denn seit wir im Nachbardorf in den Unterricht müssen, geht auch er deutlich lieber hin. Pausenplatzhierarchien wurden neu gemischt.
    Andreas geht nicht auf den Kritiker ein, die Situation hier in der Küche scheint ihm wenig zu behagen, unkonzentriert fragt er Ralf, ob er sich aufs Gymnasium freue. Ralf erinnert daran, dass er da vor allem früh aufstehen müsse, um täglich in den Hauptort zu kommen.
    Andreas schaut auf die Uhr, gleichzeitig drängt Moritz in der Sprache der Hiesigen zum Aufbruch: Ein Klopfen auf den Tisch sagt, dass nun wieder die Arbeit rufe.
    Bevor wir zurück auf die Wiese dürfen, bekommen wir Instruktionen, als wüssten wir nicht mit kleinen Kindern umzugehen. Das Baby schläft über dem ganzen Gerede ein, die Kleinste von uns bekommt den Auftrag, doch ein wenig beim Kinderwagen zu bleiben, Größere können sich dann kümmern, wenn Kümmern wieder nötig wird. Das Kind schläft, die Wiese ist noch weitestgehend ungemäht.
    Der Dorflehrer streichelt über die Kleinkinderwange, geht zurück zu seinem Auto und fährt ins Nachbardorf, um wieder Dorflehrer zu werden.
    Wir nehmen die Sense wieder auf, zerren die Heu„gabeln aus dem Boden, gewisse von uns murren und wären lieber Babysitter, es scheint die leichtere Aufgabe, nur die Babysitterin selbst würde insgeheim lieber zurück an die eigentliche Arbeit, würde lieber zusammen mit uns anderen dem Nachbarsbauer zeigen, dass es auch ohne Rapid geht. Doch der Nachbarsbauer könnte uns sowieso nicht bewundern, er hat sein Tagwerk auf der Wiese beendet, und bevor er zu seinem Abendwerk bei den Kühen muss, macht er wohl kurz Pause im Hirschen, lacht mit der Kellnerin über uns und unsere Anstrengung, bis er endlich zum Abschied auf den Tisch klopft.
    Ada steht neben dem Kinderwagen, der im Schatten steht. Dass sie lieber mit den Wiesenarbeitern tauschen möchte, kann sie nicht sagen, denn gerade sind alle Augen auf sie und ihr Talent gerichtet. Das kleine, schlafende Neugeborene hat alle Liebe der Welt verdient und noch etwas mehr als all die anderen Neugeborenen, weil sich Christine offenbar noch etwas schwer tut mit dem Lieben. Helden spüren, wenn sie gebraucht werden, Peter zieht sich schnell um, schwingt sich als Spinne von Hochhaus zu Hochhaus und schon ist er zur Stelle, Clark kennt die Telefonzellen der Stadt, in denen er sich die Kleider vom Leib reißen kann. Ada konzentriert sich auf das schlafende Gesicht. Auf die wie aufgeblasen runden Wangen. Auf das Grübchen, da, wo das Kinn anfängt. Auf das Kinn, das die Schlafende nach hinten schiebt, damit die Unterlippe unter die obere passt. Ada betrachtet die Nase, die klein und knubbelig und rund in die Welt ragt, bloß ein paar Millimeter, aber Millimeter sind bei einem so kleinen Ding entscheidend. Ada fokussiert das überraschend große Ohr und dann die winzige, schrumplige Hand, die in der Nähe des Mundes liegt, für den Fall, dass jemand der Kleinen gleich beibringen möchte, wie man am Daumen lutscht. Ada konzentriert sich auf ihren eigenen Herzschlag, der ruhig und unberührt noch nicht das kleinste Stück in Richtung Hals gewandert ist. Sie schaut noch einmal
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