Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ein Magier im Monsterland

Ein Magier im Monsterland

Titel: Ein Magier im Monsterland
Autoren: Craig Shaw Gardner
Vom Netzwerk:
 
Kapitel Eins
     
     
Auf Reisen, so behaupten die Weisen, sollte man sich darauf einstellen, die örtlichen Sitten und Gebräuche zu befolgen, jedoch ist es in eben diesem Königreich in einigen Regionen Sitte und Brauch, einen Zauberer bis unter die Armutsgrenze mit Steuern zu belegen; in wieder anderen Gebieten sind die Leute der irrigen Annahme, man müsse einen Zauberer nicht bezahlen, da Magie kostenlos zum Wohle der Allgemeinheit existiere; ja, in ganz üblen Gegenden pflegt man sogar einen Magier, der seinen Auftrag nicht erfüllen konnte, zu teeren und zu federn. Sollte man in solchen Regionen reisen, so empfiehlt es sich, den Ratschlag der Weisen in den Wind zu schreiben – und die lokalen Sitten und Gebräuche weiträumig zu umgehen.
    - aus den LEHREN DES EBENEZUM, Band VI
     
    Ich war schon zuvor durch dunkle Wälder gewandert, aber noch nie durch einen so dunklen wie diesen. Die gigantischen Bäume, unter denen wir einherschritten, reckten sich Hunderte von Fuß in die Höhe, wo sich schließlich ihre Äste zu einem dichten, grünen Laubdach verwoben. Sie ließen so wenig Sonnenlicht einfallen, daß wir unseren Weg die Hälfte des Tages in der Dämmerung und den Rest in finsterster Nacht verfolgen mußten.
    Ich war schon zuvor durch tückisches Unterholz gewandert, aber noch nie war mir eines so unheimlich vorgekommen. Abgesehen davon, daß nur wenig Licht die Baumkronen durchdrang, war der Boden zu unseren Füßen auch noch über und über mit Gestrüpp zugewachsen, bleichblättrige Kriechgewächse, die eher von Dunkelheit als von Licht zu gedeihen schienen. Zu allem Übel besaßen die Blätter auch noch scharfe Kanten und verdeckte Dornen, die an unseren Beinkleidern hängenblieben und uns blutig stachen, sobald wir uns von ihnen zu lösen versuchten.
    Ich war schon durch kalte Gegenden gewandert, aber diese Eiseskälte hier schien uns die Lebenswärme förmlich aus Muskeln und Knochen zu saugen. Sänke die Temperatur auch nur um ein paar Grad weiter, so würde uns unser Hintern vermutlich wirklich auf Grundeis gehen.
    Mein Meister, der Zauberer Ebenezum, einst der größte Magier in allen Westlichen Königreichen, wandte sich um und nahm unser erbärmliches Häuflein Wagemutiger in Augenschein. Er streckte die Arme von sich, wodurch das elegante Innenfutter seiner zauberischen Robe sichtbar wurde – schwarze Seide, mit überaus geschmackvollen silbernen Monden und Sternen bestickt, ein wenig beschmutzt und zerrissen vielleicht von den Strapazen unserer Reise, aber immer noch ein beeindruckendes Kleidungsstück, das bewies, daß man es mit einem angesehenen Zauberer zu tun hatte. Er gähnte und kratzte sich den dichten, weißen Bart.
    »Was für ein erfrischender Morgen!« bemerkte der Magier.
    »Verdammnis!« ließ sich eine Stimme in meinem Rücken vernehmen. Ich mußte mich nicht umdrehen, um sagen zu können, daß es sich hierbei um den Krieger Hendrek handelte, dessen fester Griff wohl den Beutel mit Schädelbrecher, der verfluchten Schlachtkeule, umfaßte. Es schien, als seien Hendrek und ich ausnahmsweise einer Meinung.
    »Yztwwrfj!« ertönte eine Stimme, die dem Dämon gehörte, der so tief in seinen vielfältigen Kleidungsschichten versunken war, daß alle seine Äußerungen vollkommen unverständlich bleiben mußten. Und doch meinte ich einen Unterton von Mißbehagen in seiner Stimme mitschwingen zu hören.
    »Komm, komm!« Der Magier strich bedächtig seinen Schnurrbart. »So schlimm ist es nun auch wieder nicht. Immerhin haben wir seit über zwei Tagen keine Dämonenattacke mehr erlebt. Wir kommen gut voran; in ein paar Tagen werden wir das Binnenmeer erreicht haben. Und auf dessen anderem Ufer liegt Vushta!«
    Vushta? Ich muß zugeben, daß der Klang dieses Namens mich selbst in der Düsternis des Waldes mit neuem Lebensmut erfüllte. Vushta, die Stadt der tausend verbotenen Lüste, wo jeder Mann – sei er nicht die verkörperte Vorsicht – verrückt werden konnte vor zehntausendfachem Verlangen. Vushta, wo ein Jüngling wie ich doppelt vorsichtig sein mußte, wenn er nicht gegen seinen Willen in eines der berühmten Freudenhäuser der Stadt verschleppt werden wollte, und dort würde man ihn womöglich zwingen… vermutlich wäre alle Gegenwehr sinnlos…
    Eine Explosion brach in meine Gedanken.
    »Wie?« bemerkte der Zauberer. »Sollte ich mich geirrt haben?«
    »Verdammnis!« wiederholte Hendrek. Der mächtige Krieger trat neben mich. Sein Körper zitterte vor Erwartung, was
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher