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Land Spielen

Land Spielen

Titel: Land Spielen
Autoren: Daniel Mezger
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Ada, die vermisse ihren Bruder vielleicht als Einzige, die weine jetzt wahrscheinlich ganz allein, während alle anderen froh seien, dass er, der Störenfried, nun endlich fort sei, sagt Fabian, der nun schon längst selbst weint.
    Und Fabian stammelt weiter Zusammenhangsloses, Mirko ist froh, dass er heult dabei, so muss er auf nichts von dem Gesagten eingehen, von dem er nichts verstanden hat, aber ein weinendes Kind, das versteht er, das muss getröstet werden. Er legt Fabian die Hand auf die Schulter, streicht ihm mit der anderen übers Haar: »Sve je u redu, sve je u redu.«
    Das könnten auch Schimpfworte sein, aber wahrscheinlich ist es tröstend gemeint, Fabian mag den Klang, und statt sich zu beruhigen, muss er darüber noch viel mehr weinen: »Und es ist so gemein, dass es Jugoslawien nicht gibt! Und meine Füße tun weh! Und überhaupt: Jetzt darf ich nicht einmal mehr Käse essen!!«
    *
    »Da ist er also«, sagt der Förster, er geht auf den Felsbrocken zu, tätschelt ihn, als sei dieser eine ausgebüxte Kuh. Der Förster kneift die Augen zusammen, schaut sich den Erdrutsch an. Er murmelt irgendeinen Fluch, der wohl ausdrücken soll, dass hier Arbeit auf ihn wartet.
    Moritz bedankt sich für die Fahrt, will allein weiter, der Förster geht nicht auf ihn ein, macht die paar Schritte zurück zum Jeep, nimmt seine Jacke vom Sitz, schlägt die Tür zu. Wie ein Bergführer klettert er um den Felsbrocken herum, schaut ab und an kurz zurück, ob Moritz auch folge, deutet mit dem Kinn auf Stellen, wo man sicher Tritt findet.
    Das Geröll mischt sich hier mit Schnee, wahrscheinlich hat dieser den Erdrutsch ausgelöst, Moritz rutscht in den Turnschuhen herum, muss kurz auf alle viere, erst als er die unsichere Passage überquert hat, schaut er sich um. Und entdeckt sie endlich, die Spur. Weiter unten im grauen Schnee- und Steingemisch. Schuhabdrücke. Kindergröße.
    *
    Die dritte und letzte Lektion des Tages wird mit einer Führung verbunden. Der Senn zeigt dem unangemeldeten Besucher sein Reich, führt ihn zum anderen Teil der Hütte. Auch dieser Raum ist klein, hier steht ein goldener Kochtopf, der so groß ist, dass man darin ein Bad nehmen könnte. »Baden Sie hier?«, fragt Fabian. Mirko lacht, sagt, bevor er ihn, Fabian, zurückbringe, könne er ja wenigstens käsen helfen, dann sei das fast, als habe er den Käse selbst geschlachtet. Denn Käse würde mit Fleisch gemacht.
    Fabian hat keine Ahnung mehr, ob das jetzt wieder ein Scherz war oder nicht. »Helfen« heißt nun vor allem zuschauen, die Milchkannen sind zu schwer für ihn, noch immer schniefend versucht er, dem Jugoslawen in seinen Ausführungen zu folgen.
    Die Milch müsse man erhitzen. Langsam. Und nicht zu heiß. Hier das Thermometer, wenn es bei fünfzig sei, müsse Fabian das sofort sagen. Und dann kommt das hier rein: Bakterien. Die machen die Löcher in den Käse. »Sie essen die Löcher in den Käse?« »Nein, sie furzen sie.« Mirko lacht. Fabian mag es nicht, dass er ihn schon wieder veräppelt. Mirko: »Aber ist wahr! Und jetzt kommt, warum Käse ist mit Fleisch.« Dazu hält er eine weiße Packung in die Höhe. Das sei Lab, verkündet er, mischt etwas vom Pulver ebenfalls in die Milch und klärt Fabian endlich auf: Das Lab, das brauche es, damit aus der Milch etwas Festes werde, es trenne das Wasser vom Käse. Und es sei hergestellt aus Kälbern. Man nehme die Mägen und mache daraus ein Pulver. Dieses hier.
    Mirko zeigt Fabian, wie die Milch langsam zu gerinnen beginnt. Sie sieht aus, als sei sie vor Wochen gekippt, eine eklige Angelegenheit, dieses Käsemachen, und eine langweilige dazu. Fabian setzt sich auf die Bank in der Ecke, schaut Mirko zu, wie er mit den Gerätschaften hantiert, er scheint seinen Zuschauer vergessen zu haben, konzentriert sich auf sein seltsames Gebräu. Fabian denkt an zu Hause, das Heimweh steigt nun noch nachdrücklicher in ihm auf. Mirko nimmt ein seltsames Gitter mit einem Stiel daran von der Wand, kündigt an, dass jetzt das eigentliche Käsen beginne, aber Fabian will gar nicht mehr lernen, wie man Käse macht, er will wieder gehen. Er denkt an den langen Weg, der vor ihm liegt.
    Mit dem Gitter rührt Mirko im Käse, »Jetzt du schauen!«, Fabian tut ihm den Gefallen, schaut in den Kessel, in dem sich unterdessen ein großer Pudding befindet, den der Jugoslawe in kleine, weiße Klümpchen schneidet. Im Raum breitet sich nun tatsächlich Käsegeruch aus. Fabian steigen schon wieder Tränen in die Augen.
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