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Grappa 16 - Rote Karte für Grappa

Grappa 16 - Rote Karte für Grappa

Titel: Grappa 16 - Rote Karte für Grappa
Autoren: Gabriella Wollenhaupt
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Am Herzen vorbei
    Die Nacht war kurz. Ich schreckte aus dem Schlaf, hörte Menschen flüstern. Jemand sagte etwas Beruhigendes, doch er meinte nicht mich. Träumte ich? Der Schmerz in meinem Körper beantwortete die Frage: Ich war wach. Sogar hellwach.
    Vorsichtig hob ich den Kopf, durch die Tür fiel Licht ins Zimmer und ich konnte Personen schemenhaft ausmachen, die sich über ein Bett beugten. Jetzt schaltete jemand das Notlicht an. Ich erkannte den Nachtpfleger, den Bereitschaftsarzt und zwei Schwestern. Eine Liege wurde ins Zimmer geschoben.
    »Was ist los?«, krächzte ich.
    »Alles in Ordnung«, erhielt ich zur Antwort. »Schlafen Sie weiter.«
    Die Tür wurde geschlossen und Schritte entfernten sich. Ich lauschte ins Dunkel hinein. Nichts war zu hören. Mein Gefühl sagte mir, dass ich nicht mehr allein war.
    Meine letzte Story, geschrieben für das Bierstädter Tageblatt, hätte mich fast mein Leben gekostet. So lieb hatte ich unsere Abonnenten nun auch wieder nicht, dass ich für eine gute Geschichte freiwillig ans Himmelstor geklopft hätte. Aber wenn jemand mit einer Waffe vor dir steht und einfach losballert, hast du keine Chance, verschiedene Denkmodelle durchzuspielen.
    Zum Glück war es ja nochmal gut gegangen. Tagelang hatte ich zwischen Leben und Tod geschwebt. Die Kugel war knapp am Herzen vorbeigesaust, hatte aber genug Unheil angerichtet. Wie es im Einzelnen in mir aussah, wusste ich nicht, wollte es auch gar nicht wissen. Krankheiten waren dazu da, sie zu bekämpfen, und Unfälle, sie hinter sich zu lassen.
    »Jetzt hast du deinen Nachruf auf mich umsonst verfasst«, so hatte ich meinen Chef Peter Jansen begrüßt, als der mich zum ersten Mal besuchte.
    »Ich heb ihn auf«, tröstete er mich. »Wie ich dich kenne, ist es nämlich bald wieder so weit.«
    »Darf ich ihn mal lesen?«, fragte ich.
    »Lieber nicht. Ist mir ziemlich peinlich, was ich über dich geschrieben habe«, antwortete er.
    »So schlimm?«, erschrak ich.
    »Nein, viel zu nett. Wenn du wirklich die Person in meinem Nachruf wärst, hätten wir es alle leichter.«
    »Sehr witzig!«
    »Wann kommst du zurück zur Arbeit?«, wechselte er das Thema.
    »So bald ich hier raus bin. Dieses Getue hier geht mir auf die Nerven. Ich brenne darauf, mich ins Leben zu stürzen.«
    »Welche Wahnsinnsstory hast du denn schon wieder im Kopf?«
    »Nein! Keine gefährlichen Storys mehr«, beruhigte ich ihn. »Ich werde meinen journalistischen Ehrgeiz künftig in das Rezept des Tages legen und mich aufopferungsvoll um die Vermittlung von heimatlosen Tieren kümmern. Und vielleicht kann ich auch endlich die Serie Die Frau an seiner Seite beginnen, mit der ich schon seit Jahren liebäugele. Meine Materialsammlung zu diesem Thema ist inzwischen riesig.«
    »Ich glaube, dafür musst du wieder von vorn anfangen«, grinste er. »Die Paare, die du dir damals ausgeguckt hast, sind entweder tot, geschieden oder haben eine Geschlechtsumwandlung hinter sich.«

Flutwelle und Kanzlerin
    In Krankenhäusern beginnt der Morgen früher als anderswo. Dieser Rhythmus nervte. Wahrscheinlich glaubten die Mitarbeiter, dass sie schneller fertig waren, je eher sie anfingen, was ja auch irgendwie stimmte, nur für die Patienten wurde der Abend gähnend langweilig und ereignislos. Klar, in fast jedem Zimmer gab es einen Fernseher und man konnte sich in die Radioprogramme einstöpseln, doch beim Fernsehen fielen mir nach der Tagesschau bereits die Augen zu und die Musiktitel im Radio waren mir inzwischen so vertraut, als hätte ich sie komponiert.
    Immerhin war ich informationsmäßig auf dem Laufenden geblieben: in Deutschland regierte erstmals eine Bundeskanzlerin, Flutwellen und Hurrikans hatten diesmal nicht nur die Dritte-Welt-Bevölkerung dezimiert, sondern auch in den USA gewütet, Terrorschläge waren weiterhin ein Mittel der politischen Auseinandersetzung und Bierstadt, die liebenswerte Metropole zwischen Montanresten und Hightechhoffnungen, war auf dem Weg in die Spaßgesellschaft. Das neue Bierstadt macht uns Spaß – dieser schlichte Satz, entsprungen den leistungsstarken Hirnen städtischer Werbestrategen, passte zum geplanten künstlichen See auf der Stahlwerkbrache genauso wie zum schicken futuristischen Bahnhof und der im Sommer stattfindenden Fußballweltmeisterschaft.
    Es war erst sechs Uhr in der Früh. Der Nachtpfleger polterte ins Zimmer und trompetete fröhlich: »Guten Morgen, die Damen!«
    Damen? Das war eindeutig ein Plural. Ich erinnerte mich an die
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