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Laessliche Todsuenden

Laessliche Todsuenden

Titel: Laessliche Todsuenden
Autoren: Eva Menasse
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mit der Schulter einen künstlichen Palmwedel. Sie lächelte ihn an. Ihre Stimme war viel höher und mädchenhafter, als ihr rassiges Aussehen vermuten ließ. Sie lebte allein und hatte einen erwachsenen Sohn. Sie habe es immer bedauert, nur ein Kind zu haben, aber ihre Ehe sei schwierig genug gewesen und dann auch bald zerbrochen. Sie beneidete Fritz überschwänglich um seine ›zweieinhalb‹ Kinder. Warum sagte er plötzlich ›zweieinhalb‹? Früher hatte er immer ›drei‹ gesagt, aber nach seiner Trennung von Karin beschlich ihn manchmal das Gefühl, dem Regisseur etwas zurückgeben zu müssen. Oder etwas mit ihm gemeinsam zu haben, so genau dachte er darüber nicht nach.
    Hilda sagte, sie warte sehnlich auf Enkelkinder, sie gehe ihrem Sohn damit schon so auf die Nerven, dass er ihr diesen Wunsch wohl aus Trotz nie erfüllen werde. Jedenfalls drohe er damit. Dann bin ich selber schuld, sagte sie und lachte.
    Das Thema behagte Fritz nicht. Schließlich war seine Jüngste noch keine vier. Karin hatte sie als späten Liebesbeweis haben wollen, als Sühne für eine Affäre, an die sich Fritz kaum mehr erinnerte. Dass Judith sofort nach der Schule ausgezogen war, schien auch eine Rolle gespielt zu haben, nie hätte man das bei diesem schüchternen Mädchen vermutet.
    Hilda drängte Fritz, ihr ein Foto von den Kindern zu zeigen. Erst zierte er sich, er fand das ›Paradise Now‹ einen in jeder Hinsicht unpassenden Ort für solche Vertraulichkeiten. Sie sagte natürlich, was alle sagen (›ach, so schön blond‹) und behielt das Bild lange in der Hand, aber danach kam seine Familie eine Weile nicht mehr vor.
    Sie hatten dann ein paar wirklich gute Wochen. Fritz’ erste Befürchtungen hatten sich schnell zerstreut – Hilda wohnte im Haus des ›Paradise Now‹ und ging nur hinunter, wenn in ihrer geschmackvoll eingerichteten Wohnung der Wein ausgegangen war.
    Vor allem hatte Hilda einen unglaublichen Körper. Nach all den Jahren, den Erfahrungen, den oft viel jüngeren Frauen in der Redaktion hatte Fritz nicht mehr erwartet, von einem Körper noch einmal so begeistert zu sein. Dabei hatte Hilda unzählige Operationen an der Wirbelsäule hinter sich, aber die Narben waren ja nur am Rücken. Die sah er selten, Fritz war ein konventioneller Liebhaber. Doch die durch das Rückenleiden bedingte Gymnastik, das Muskeltraining, die fast besessene Beschäftigung mit allen Funktionen ihres Bewegungsapparats hatten Hilda schlank und geschmeidig gehalten. Und ihre Schamhaare ließ sie von der Kosmetikerin bis auf einen schmalen Streifen auf dem Schambein komplett entfernen. Fritz fand das ehrlich, auch vornehm, nicht so einschüchternd wie die wuchernden Büsche, die zwanzig Jahre zuvor üblich gewesen waren.
    Karin war diesbezüglich inkonsequent. Sie experimentierte mit Cremes, von denen sie Ausschläge bekam, mit Rasierern, mit denen sie sich schnitt, oder sie vergaß beides und hatte Stoppeln zwischen den Beinen. Dann war da noch diese besondere, leichte Tönung von Hildas Haut, die Fritz faszinierte, etwas irgendwie Olivfarbenes. Karin dagegen hatte seit einiger Zeit mit dem Solarium etwas übertrieben.
    Fritz jedenfalls fand Hilda perfekt. Anatomisch genau hatte er sie auch Anton beschrieben, bei dem er seit der Trennung von Karin lebte – zwei Arbeitskollegen, denen, für alle Welt überraschend, plötzlich die Ehen in die Luft geflogen waren. Anton hatte gelacht und ihn damit geneckt, dass er ihn gar nicht für einen solchen Sexisten gehalten hätte. Doch Fritz tat sich schwer, Hilda darüber hinaus zu charakterisieren. Unglaublich lieb sei sie, hatte er schließlich gesagt, nachgiebig, fürsorglich, natürlich keine so starke Frau wie Karin, so stark sei ja kaum eine. Dass Hilda ihm tagsüber E-Mails mit albern blinkenden Smileys und Herzchen schickte, verschwieg er. Aber nachdem Anton mit den beiden einmal ein Glas Wein getrunken hatte, schien er ohnehin zu verstehen. Wie geht es deinem Kätzchen, fragte er nun manchmal und mimte den Neidischen. Fritz stak dieser Ausdruck wie ein Widerhaken im Gedächtnis. Er glaubte nicht, dass Anton ihn verhöhnte, trotzdem war ihm ein bisschen unbehaglich.
    Unter der Trennung von Fritz und Karin litt am meisten Paula. Während das kleine Lottchen zum Glück noch kaum etwas begriff und Judith nicht nur von ihrem Studium, sondern vor allem von ihrer ersten großen Liebe abgelenkt war, schien sie völlig den Halt zu verlieren. Sie war schon seit Judiths Auszug schwierig gewesen
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