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Laessliche Todsuenden

Laessliche Todsuenden

Titel: Laessliche Todsuenden
Autoren: Eva Menasse
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bezwecke? Wolle sie ihn zu etwas drängen? Da könne er ihr gleich sagen, dass … Nein, nein, hatte Hilda gewimmert und den Frosch in ihren Armen gewiegt, es tue ihr leid, sie habe wohl nicht nachgedacht, nur dieses Fröschlein so unglaublich süß gefunden, und da habe sie … ganz unschuldig, manchmal bin ich halt ein bisschen dumm, verzeih mir bitte, kannst du das? Fritz hatte den Rest des Abends im grimmigen Hochgefühl eines Mannes verbracht, der widerstrebend Verzeihung gewährt, wofür ihm mit immer neuen Wellen ausufernder, untertäniger Zärtlichkeit gedankt wird. Dieses gefährliche Spiel setzte sich bis in die Nacht fort, in der Hilda sich ihm in einem Ausmaß unterwarf, dass Fritz noch am nächsten Tag, mitten in der Redaktionskonferenz, von der Erinnerung eine Erektion bekam, sich dafür dann aber ziemlich schämte.
    Als nächstes wurde Judith von ihrem blassen Tierarzt-Aspiranten betrogen, und Karin, Fritz und der Regisseur wechselten sich an ihrem Krankenbett ab. Die beiden Väter wurden beauftragt, Judiths Habseligkeiten aus der Wohnung am Gürtel abzuholen. Zum Glück trafen sie den Blassen dort nicht an, denn Fritz hätte beim besten Willen nicht gewusst, wie er sich verhalten sollte. Das Rachebedürfnis der Frauen zu Hause war grenzenlos, aber weder Fritz noch der Regisseur waren zur Exekution solch unausgesprochener Wünsche geeignet. In diesen Wochen entspannte sich das Verhältnis zwischen Fritz und Karin deutlich. Die Konzentration auf ihr seelisch verwundetes Kind und, wie er später erfuhr, auf die sich vielversprechend entwickelnde neue Liebe machten Karin geradezu leutselig. Deshalb sah er auch keinen Grund, ihr nicht entgegenzukommen, und zog bereitwillig für drei Wochen zu den Kindern, als Karin mit dem Neuen in die Karibik fuhr.
    Fast war alles wie früher, und er konnte sich einer gewissen Sentimentalität nicht erwehren: Er stand morgens auf, machte Frühstück, brachte die Kleine in den Kindergarten und trank nachher am Küchentisch einen Kaffee, bevor er in die Redaktion aufbrach. Leider bedeutete das eine Zwangspause mit Hilda. Denn abends Termine zu erfinden, ging ihm gegen den Strich, das hatte er Karin gegenüber zu oft getan. So etwas machte man nur mit der Ehefrau, vor den Kindern erschien ihm das irgendwie unmoralisch. Es kam sogar so weit, dass er wieder masturbierte, und wie früher achtete er darauf, nur die weißen Handtücher zu nehmen. Er tröstete sich damit, dass die Enthaltsamkeit begrenzt sei. Hilda und er tauschten tagsüber dreckige E-Mails aus, das bereitete ihm erhebliches Vergnügen. Doch als auf einmal keine dreckige, sondern eine sehnsüchtige, viel zu pathetische E-Mail mit vielen blinkenden Herzchen kam, die mit der Frage endete, ob nicht die beiden Mädchen einmal abends auf die Kleine aufpassen könnten, meldete Fritz sich ein paar Tage überhaupt nicht mehr bei ihr.
    Daheim begannen sich seine Töchter auf unklare Weise zu regen. Jedes Mal, wenn er sich zu ihnen setzte, fingen sie mit den Schwierigkeiten an, die sie mit ihrer Mutter zu haben behaupteten, klagten und jammerten, zählten selbstmitleidig Karins Unzulänglichkeiten und Ungerechtigkeiten auf, doch Fritz war unaufmerksam, reagierte kaum und wollte die versteckten Botschaften nicht hören. Eines immerhin schien ihm klar: Dies war kein guter Zeitpunkt, um Hilda bei ihnen einzuführen.
    Schließlich brach Hilda alle Abmachungen und rief eines Abends an. Paula, die ans Telefon gegangen war, erstarrte erst und schnitt dann Grimassen zu Judith, die seit ihrem schweren Schlag meistens zu Hause war. Fritz war so wütend wie erregt, als er Hildas kindliche Stimme hörte. Er wechselte nur ein paar Worte und legte dann auf. Paula und Judith zischte er zu, dass er ausgehe und wahrscheinlich über Nacht bleibe. Judith werde hoffentlich imstande sein, Lottchen am nächsten Tag in den Kindergarten zu bringen. Dann ging er geräuschvoll, begleitet vom Schweigen seiner Töchter.
    Als Hilda die Tür öffnete, packte er sie und drängte sie ins Schlafzimmer. Nachher stellte er fest, dass er sogar die Wohnungstür offen gelassen hatte. Er fiel wie ein Verrückter über sie her, ihm war, als könnte er sich auf diese Weise blindlings von ihr, von Karin, von seinen verzogenen Gören, von seinem ganzen beschissenen Leben abspalten. Noch nie war er sich so fremd gewesen. Als er, nach einem gewaltigen Orgasmus, bei dem er brüllte wie ein Tier – Fritz hatte männliche Geräusche beim Sex immer verabscheut –,
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