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Laessliche Todsuenden

Laessliche Todsuenden

Titel: Laessliche Todsuenden
Autoren: Eva Menasse
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›DIESE HILDA‹ HATTE FRITZ in einem Lokal namens ›Paradise Now‹ kennengelernt, eigentlich ein purer Zufall. Er ging sonst nie in solche Lokale, er bewegte sich seit vielen Jahren in einem Zirkel aus drei, vier Kneipen und Kaffeehäusern, einer Handvoll gutbürgerlicher Restaurants, der Betriebskantine und dem Espresso, das an die Squash-Halle angeschlossen war. Eines Nachts, als Karin einen ihrer hysterischen Anfälle hatte, war sie noch bei Sinnen genug gewesen, diese Gaststätten in irgendeiner Reihenfolge durchzurufen. Und so hatte sie ihn gefunden, im ›Blaubichler‹ oder im ›Jakobinerwirt‹, kurz nach Mitternacht. Fritz war berechenbar, er verließ ungern seine gewohnten Bahnen. Deshalb hatte er all die Jahre nur Affären mit Arbeitskolleginnen gehabt oder, seltener, mit den Frauen seiner Squash-Partner, und im Nachhinein tröstete er sich damit, dass eine Frau wie ›diese Hilda‹ gar nicht in sein Leben gepasst hatte.
    Dabei sah sie wirklich gut aus, wenngleich dunkel. Auch mit dunkelhaarigen Frauen hatte er wenig Erfahrung, irgendwie war er bisher immer nur an Blondinen geraten. Ob das bereits eine Vorliebe war, hätte er nicht zu sagen gewusst. Karin war blond wie ein Schwedenmädchen, natürlich waren ihre beiden gemeinsamen Kinder blond, kein Wunder, er selbst war auch ein ganz heller Typ. Aber sogar Judith, die Älteste, von Karin mit in die Ehe gebracht, hatte einen Kopf wie ein Kornfeld, deshalb sahen sie alle fünf aus wie eine richtige, glückliche Familie. So viel Blond ist hierzulande rar, da sind zu viele Slawen drübergelegen, witzelte Karin gern und schien sich dabei verwegen zu fühlen. Dass Karins Freundinnen auch alle blond waren, und wenn nicht von Natur aus, dann gefärbt, war Fritz erst nach vielen Jahren aufgefallen, erst, nachdem er ausgezogen war. Und selbst da hatte er dem keine Bedeutung zugemessen.
    Jedenfalls hatte es Fritz gleich ein bisschen komisch gefunden, eine Frau anzusprechen, die vor einem grasgrünen Cocktail saß, mit einem Pfirsichfächer am Glasrand. In seinen Kreisen trank man Bier und guten Wein, die Frauen tranken gern Champagner. Aber dieser ganze Abend war irgendwie aus der Reihe gefallen, wegen seines Kollegen Wolfgang, der abends in der Kantine, nach dem Spätdienst, plötzlich sein Leben vor ihn hingekotzt hatte, die kaputte Ehe, das behinderte Kind, und der ihn dann gezwungen hatte, ihn in dieses ›Paradise Now‹ zu begleiten, ganz gegen seine Gewohnheit. Fritz hatte nicht Nein sagen können. Emotionen, also Naturgewalten gegenüber war er wehrlos. Und er war es nicht gewohnt, über Persönliches zu sprechen, auch wenn in der Redaktion schon einige Gerüchte über Wolfgang kursierten. Als Wolfgang das dritte Krügel bestellte, ihn mit geröteten Augen fixierte und erklärte, er denke ständig über Mord und Selbstmord nach, nur könne er sich einfach nicht entscheiden, ob er seine Frau auch umbringen solle oder ob ihr Überleben nicht die schönste Strafe sei, da hatte Fritz unbehaglich gedacht: Die Pavlovic, die intrigante Chefin vom Dienst, wäre in diese Lage gar nicht erst gekommen. Aber er, er galt ja als ehrliche Haut. Ihm kippte man Intima hin, die anderen runtergegangen wären wie Öl, und ihm war es nur peinlich. Fritz begann zu schwitzen, und es hatte quälende Minuten gedauert, bis er begriff, dass Wolfgang gar keinen Ratschlag erwartete. Und deshalb war er dann mitgegangen ins ›Paradise Now‹, aus Erleichterung, aus schlechtem Gewissen und einem sich leise regenden Allmachtsgefühl, das sich als Verantwortungsbewusstsein perfekt zu tarnen verstand.
    Natürlich hielt Fritz sich für einen reflektierten Menschen. Karin hatte ihm oft genug vorgeworfen, dass er träge sei, aber wenn er sich treiben ließ, dann, hielt er sich zugute, tat er das immer in vollem Bewusstsein. Dass ihm einiges über sich selbst entging, hätte er vehement bestritten. Wenn er manche Dinge so nahm, wie sie kamen, dann deswegen, weil er im Widerstand keinen Sinn sah. Also betrachtete er seinen Nicht-Widerstand im Endeffekt als bewusste Entscheidung. Davon ließ er sich nicht abbringen. Von solchen Entscheidungen seinerseits, ohne überflüssigen Energieaufwand zustande gekommen, hatte Karin doch selbst am meisten profitiert! Schon ihr Kennenlernen war so überstürzt gewesen, dass andere vielleicht bloß aus Prinzip opponiert hätten. Oder welcher Fünfundzwanzigjährige wäre nach nur einer Liebesnacht mit einer Frau samt Kleinkind zusammengezogen? Karins
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