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Laessliche Todsuenden

Laessliche Todsuenden

Titel: Laessliche Todsuenden
Autoren: Eva Menasse
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widerstrebend aus seinem Rausch erwachte, bemerkte er, dass sie einen riesigen braunen Teddybär unter sich begraben hatten. Hildas seligen Blick konnte er kaum ertragen. Und doch fühlte er sich geläutert. Plötzlich lag er wie ein Kind in ihren Armen und machte unsinnige Versprechungen. Danach gingen sie händchenhaltend ins ›Paradise Now‹, saßen unter der künstlichen Palme und knutschten wie Gymnasiasten.
    Später konnte er nicht mehr sagen, ob es an Paula lag, die sich zu gebärden begann wie eine Irre und ihn schließlich mit totaler Nahrungsverweigerung erpresste, an Karin, die nach ihrer Rückkehr aus der Karibik genauso unberechenbar, aggressiv und bedrohlich war wie in den schlimmsten Ehezeiten, an Hilda, die ihn mit ihrem grenzenlosen Verständnis fast erstickte, oder an ihm selbst, der die Sache mit Hilda vielleicht überschätzt hatte. Vielleicht war es doch nur eine der üblichen Affären gewesen, die ihren Reiz verlieren, sobald sie verbindlich werden.
    In den Jahren, die folgten, machten seine großen Töchter im Streit gelegentlich noch Bemerkungen über ›diese Hilda‹, als hätten sie etwas gegen ihn in der Hand. Im Grunde hatten sie nur vorzubringen gehabt, dass sie ›so scheußlich schwarzhaarig‹ war, denn sie kannten sie ja kaum. Als die Angelegenheit frisch war, hatten sie noch ganz andere Sachen über Hilda gesagt, aber das hatte Fritz sich mit ihrer emotionalen Überreizung erklärt und so schnell wie möglich vergessen.
    Als Fritz seinen fünfzigsten Geburtstag feierte, im ›Blaubichler‹ oder im ›Jakobinerwirt‹, lud er sogar Anton dazu ein. Der war ihm über die Jahre irgendwie abhanden gekommen, Fritz hätte gar nicht mehr genau sagen können, warum. Klar, dass auch Karin kam, mit ihrem dritten Ehemann, einem Funktionär der Industriellenkammer. Seit den furchtbaren Wochen damals, als Paula zwei Tage lang auf der Intensivstation lag und Karins Karibikbräune dort im Neonlicht noch fremder aussah als ihr verkabeltes Kind, lief es mit ihr eigentlich wieder ganz gut. Fritz konnte mit dem Funktionär allerdings viel weniger anfangen als mit dem Regisseur. Er fand es fast unfair, den Funktionär als Gast bei seinem Geburtstagsfest zu haben, während der Regisseur fehlte. Karin jedenfalls hatte ihm unlängst sogar Handwerker besorgt, für die Renovierung der Wohnung, die wirklich überfällig war. Die Küche war tatsächlich seit Paulas Geburt nicht gestrichen worden! Für solche praktischen Aufgaben hatte Karin immer schon ein Händchen gehabt. Auch bei der Auswahl der Fliesen hatte sie ihn beraten, Fritz konnte nichts dabei finden, sie hatte schließlich selber lange genug da gewohnt.
    Als er damals, nach der Sache mit Hilda, bei Anton zusammengepackt hatte und endgültig zurück zu den Kindern gezogen war, hatte er kurz überlegt, was mit den Kartons geschehen sollte, die er bei seinem Auszug in Karins Keller deponiert hatte, vorübergehend, wie er damals glaubte. Er beschloss, sie im Keller, der ja nun seiner war, zu lassen. Was ihm in all den Monaten bei Anton nicht abgegangen war, konnte nicht so wichtig sein. Irgendwann, in ein paar Jahren, könnte man die Sachen noch einmal durchschauen. Vielleicht wäre es dann ganz lustig, auf längst Vergessenes zu stoßen. Aber wahrscheinlich würde man sie nie mehr öffnen, diese alten Kisten. Wenn er an die schlimme Zeit damals schon unbedingt denken musste, dachte er noch am liebsten an die Szene mit Lottchen. Als er mit dem ersten Umzugskarton keuchend im vierten Stock angekommen war, hatte seine Jüngste ihm die Tür weit geöffnet, theatralisch den Schnuller aus dem Mund genommen und gekräht: ›Und jetzt bleibt Papa für immer.‹

Gefräßigkeit

MARTINE WAR GERADE SIEBZEHN, lang, dünn, zur Zeit braungebrannt und bestimmt noch nicht trocken hinter den Ohren. Der Campingurlaub mit ihrem Freund war eine einzige Katastrophe gewesen, und sie war froh, endlich von ihm weg zu sein. Sie hatten überhaupt kein Geld, und die Idee, in die Toskana zu fahren, war deshalb von vornherein ziemlich bescheuert. So waren sie die ganze Zeit an dem einen Strand gehockt, der vom Campingplatz aus zu Fuß zu erreichen war, Essen aus dem Supermarkt, Brot, Tomaten, Käse, drei Wochen lang nichts Warmes, das war Martine nicht gewöhnt. Ihr Freund, zehn Jahre älter als sie, vertrug die Sonne nicht, das, musste sie sagen, war dann beinahe ein Vorteil. Sie hatte um fünfzehntausend Lire eine Luftmatratze gekauft, gleich am ersten Tag, da hatte sie
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