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Kutath die sterbende Sonne

Titel: Kutath die sterbende Sonne
Autoren: C.J.Cherryh
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ging.
    Daß der Kel'anth überhaupt trauerte – das war eine Sterblichkeit, die die Fremdheit zwischen ihnen überbrückte, zwischen ihm und seinem neuen Kel'anth. Sie teilten zumindest etwas; wenn nicht Liebe, so doch Verlust...
    Hlil hob einen sandigen Kieselstein von dem zerbröckelnden Kamm, auf dem er hockte, und warf ihn mit winzigen Hüpfern in die Sandflächen hangabwärts. Er traf, und ein Nest stacheliger Arme peitschte empor, um die vermutete Beute zu umfassen. Ein Sandstern. Das hatte Hlil erwartet. Seine Jagd war nicht so verzweifelt ausgefallen, daß er das den Frauen und Kindern des Kath bringen mußte. Der Sandstern schlängelte sich unter dem Sand davon, nur als eine kaum sichtbare Störung an der Oberflä- che wahrzunehmen, und er ließ ihn. Zwei Schlangen, ein fetter Schlangenhalsvogel, Wild im Gewicht eines Steins; er hatte keinen Grund, sich über seine Mühen des Tages zu schämen; obendrein gab es einen Bestand von Stengelpflanzen im Lager, so daß sie keinen verzweifelten Bedarf nach Feuchtigkeit hatten, sicherlich nicht nach der bitteren Flüssigkeit eines Sandsterns. Dieser nistete sich an einem sicheren Plätzchen in der Nähe einiger Felsen wieder ein und breitete weitläufig die Arme aus, ein Muster von Vertiefungen im Sand. Hlil quälte ihn nicht weiter; das Tier war ihm so aus dem Weg und bedeutete keine Drohung. Das Kel-Gesetz verbot Ausschweifung.
    Und rechtzeitig mit der sinkenden Sonne kamen die Kel'ein. Hlil saß an seinem Platz, eine Wache auf dem heimführenden Weg, kannte die Ankommenden, wie er auch anhand der Tatsache, daß dieser Posten leer gewesen war, erkannt hatte, daß niemand vor ihm angekommen war. Sie sahen ihn im Vorbeigehen und hoben die Hände zum Gruß; er kannte ihre Namen und machte für jeden einen Knoten in die Schnüre, die an seinem Gürtel hingen – erkannte sie, verschleiert wie sie waren, an ihrem Gehabe, ihrer Statur und einfach an der Gangart, denn er war mit ihnen von Kindheit an zusammen gewesen. Wäre jemand mit einem höheren Rang gekommen, dann hätte er ihn auf seinem Posten abgelöst und selbst mit der Kontrolle weitergemacht. So einen gab es nicht, und so blieb er, während die anderen den Umkreis des Sicherheitsbereiches vom Lager betraten.
    Sie kamen gruppenweise, während die Sonne den Horizont berührte, tauchten wie Luftspiegelungen aus dem Land auf; so gut schätzten sie die Zeit ab, um sich auf der Heimkehr zusammenzufinden, nachdem sie den ganzen Tag getrennt gejagt hatten. Schwarzgewandet schritten sie wie schwebende Schatten durch die bernsteinfarbene Dämmerung, während die Sonne die Felsen färbte, die dunstigen Tiefen der Meeresbecken ins Dunkel sinken ließ und hinter dem fernen, unsichtbaren Kamm versank, als verschwände sie mitten in der Luft, dabei die Schatten hervorrufend.
    Die Knoten bedeckten eine Schnur, eine weitere und dann noch eine, bis nur noch die letzten beiden in dieser Zählung fehlten.
    Hlil blickte nach Osten, und mit Gewißheit kam in der Mitte der Dämmerung Ras. Er hätte sich nicht zu sorgen brauchen, sagte er sich. Ras würde nicht unvorsichtig sein, nicht sie – Kel'e'en vom zweithöchsten Rang des Kel. Mit ihr gab es keine Diskussionen, nur den direkten Befehl, und den konnte er ihr nicht geben, auch dann nicht, wenn es angeraten war.
    Ras s'Sochil Kov-Nelan. Merais Wahrschwester.
    Auch die hatte Niun ihm geraubt. In glücklicheren Tagen waren sie ein Trio gewesen, Hlil und Merai und Ras; und er hatte Träume über das für ihn Wahrscheinliche hinaus geträumt. Er war befähigt: diesen Anspruch konnte er vorbringen; er hatte Merais Freundschaft besessen, und ihretwegen – war er immer in Ras' Nähe gewesen. Er hatte sie unterwiesen, da er der Ältere war, hatte mit ihr und Merai gespielt, sie an jedem Tag ihres Lebens gesehen... beobachtet, wie sie seit Merais Tod härter geworden war. Ihre Mutter Nelan gehörte zu denen, die es nicht geschafft hatten, aus An-ehon zu fliehen; Ras sprach nicht darüber. Ras lachte und redete und ging, nahm mit dem Kel Mahlzeiten ein und beteiligte sich an allen Regungen des Lebens; aber es war doch nicht mehr die Ras, die er gekannt hatte. Sie folgte Niun s'Intel, wie sie einst als Kind des Kath ihm, Hlil, gefolgt war. Wohin Niun auch ging, sie war sein Schatten; wo er ruhte, da wartete sie. Es war eine Art Wahnsinn, ein Spiel, dem es an Humor oder Sinn mangelte; aber sie alle, die An-ehon überlebt hatten und der She'pan Melein dienten, waren ein wenig verrückt.
    Zu
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