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Kurt Ostbahn - Platzangst

Kurt Ostbahn - Platzangst

Titel: Kurt Ostbahn - Platzangst
Autoren: Guenter Broedl
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Musikant“, sage ich. „Und ich bin heilfroh, wenn der ganze Irrsinn endlich sein End hat, und der Totenvogel aus dem Verkehr gezogen is. Wie und von wem, das is mir, ehrlich gesagt, ziemlich egal.“
    „Alles klar“, sagt Brunner kühl und wieder mit lauter Stimme. „Dann werd’ ich jetzt also den Richie anrufen. Quasi ein vertraulicher Hinweis aus der Bevölkerung. Zufrieden, Herr Doktor?“

38
    17 Uhr 39.
    Stoßzeit. Als Iris, Brunner und ich nach einer guten Stunde Fahrzeit keine hundert Meter vom Fit & Fun aus dem geländegängigen Toyota steigen, haben sich die Gemüter der Schaulustigen längst wieder beruhigt. Und in der Pizzeria Caruso geben Personal und Gäste gerne Auskunft über das Spektakel, das für zirka zwanzig Minuten die gesamte Wolfganggasse in Atem gehalten hat.
    Jaja, viel Polizei war da. Sogar eine Spezialeinheit mit Vollvisierhelmen und Maschinenpistolen. Aber geschossen haben sie nicht. Wahrscheinlich eine Razzia. Rauschgift oder so. Im Fitness-Center gleich nebenan, das neulich in Konkurs gegangen ist. Dann war auch gleich die Rettung da. Aber nur kurz. Die hat eine junge Frau abgeholt. Zwei Sanitäter haben sie in einem Krankensessel und in eine Wolldecke gehüllt aus dem Fit & Fun getragen. Aber besonders krank oder gar schwer verletzt hat die nicht ausgesehen. Blaß war sie. Das schon. Vielleicht unter Schock. Und die Polizei hat einen jungen Mann mitgenommen. Der war auch ziemlich blaß. Und er war in Handschellen. Also muß er was ausgefressen haben. Obwohl: wie ein Verbrecher hat er nicht ausgesehen. Im Gegenteil. Eher brav und bieder. Vielleicht so ein Finanzgangster, der mit seinem Computer ein paar Mille veruntreut hat. Vielleicht ist deswegen das Fitness-Center so plötzlich eingegangen. Obwohl, der Besitzer war ja selber nicht ganz astrein. Ein Ex-Strizzi, unter Garantie. Also rein optisch. Aber was weiß man. Man kann in die Menschen ja nicht hineinschauen. Jetzt ist jedenfalls immer noch die Polizei da drüben. Zivile. Stellen die ganze Bude auf den Kopf, hat einer von ihnen gesagt, weil dafür werden sie bezahlt.
    „Und was dabei rauskommt, lesen wir morgen in der Zeitung“, sagt Brunner zu unserer ganz besonders mitteilsamen Kellnerin. Dann bestellt er sich eine Salamipizza mit extra Pfefferoni und für uns drei eine Flasche trockenen Roten.
    „Nixtun macht auch hungrig“, sagt er, als die Kellnerin gegangen ist, und der leise Vorwurf entgeht auch Iris nicht.
    „Ich versteh Sie gut“, sagt sie. „Aber, bitte, versuchen Sie auch, meine Position zu begreifen.“
    Es war nicht unsere Idee, in die Wolfganggasse zu fahren und sozusagen Wand an Wand zur letzten Begräbnisstätte des Totenvogels auf eine Pizza und ein Achtel zu gehen. Iris wollte das so, sie hat sogar darauf bestanden.
    „Warum willst du dir das antun?“ fragte ich Iris, während Brunner mit seinem alten Freund Richie am Telefon ihres Stiefbruders dessen Verhaftung auf frischer Tat vorbereitete.
    „Ich bin dafür verantwortlich, was Stefan diesen Frauen angetan hat. Mich trifft die ganze Schuld. Und ich will mich mit eigenen Augen davon überzeugen, daß die Katastrophe, die ich ausgelöst habe, auch wirklich zu Ende ist.“
    „Das mit deiner Schuld is ein Blödsinn“, sagte ich. „Jeder Mensch is für sich selbst verantwortlich. Und ned du, sondern der Stefan hat fünf Frauen umgebracht. Aber ich weiß, das sagt sich leicht.“
    Die Debatte um Schuld und Sühne wollte auch während der Fahrt hierher nach Meidling nicht abreißen.
    „Was haben Sie sich denn konkret vorzuwerfen, Frau Fabian?“ fragte Brunner im Stau auf der Südost-Tangente.
    „Das Cleopatra-Spiel“, sagte Iris. „Aber das war nicht nur ein Spiel.“
    „Sondern?“
    Gespielt wurde es im Haus der Großeltern in der Auhofstraße. Immer in den Schulferien, wenn der lästige, ungeliebte Stefan, der wegen seiner Nasenpolypen in seiner sprachlichen Entwicklung schwer zurückgeblieben war, der Fürsorge und Obhut der älteren Stiefschwester übergeben wurde.
    Und „Cleopatra“ war ein grausames Spiel. Da konnte Iris bestimmen, welcher Untertan dem verstorbenen Pharao im Jenseits Gesellschaft leisten sollte. Die Wahl fiel (in Ermangelung anderer Anwärter) jedes Mal auf den kleinen Bruder. Er wurde in alte Leintücher und Plastiksäcke gepackt und im Keller neben dem einbalsamierten Leichnam seines verstorbenen Herrschers (einem auf Mumie getrimmten Kleiderständer aus Omas Fundus) zur ewigen Ruhe gebettet. Und wenn Iris milde
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