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0210 - Der Magier aus dem Drachenschloß

0210 - Der Magier aus dem Drachenschloß

Titel: 0210 - Der Magier aus dem Drachenschloß
Autoren: Werner Kurt Giesa
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Er prasselte aus den jagenden, schwarzen Wolken, und als die Wolkendecke aufriß und der bleiche Mond seinen Schein auf den Turm richtete, beleuchtete er eine gespenstische Szene.
    Dort, wo die Blitze eingeschlagen hatten, geschah etwas.
    Dort flossen die Regentropfen nicht ab, sondern schienen förmlich zu versteinern, schichteten sich übereinander wie Kalkwasser in einer Tropfsteinhöhle, nur ungleich schneller. Innerhalb weniger Minuten hob sich auf diese Weise eine Gestalt empor.
    Sie wuchs aus dem versteinernden Regen.
    Sie erreichte fast zwei Meter Höhe und nahm menschliche Form an. Immer deutlicher war die Gestalt zu erkennen, die Statue eines Zauberers in seiner dunklen Kutte und dem spitzen Hut auf einem kahlen Schädel.
    Als der sintflutartige Regen endlich nachließ, glommen die Augen der Statue böse auf, und das unheimliche Wesen begann sich zu bewegen.
    Es reckte die Arme empor, trat an den Rand des Turmes, zwischen die Zinnen.
    Und das Licht des Mondes erlosch.
    Der Fürst runzelte leicht die Stirn, weil einer seiner Barone beim letzten Witz des Spaßmachers nicht mitlachte, sondern sich schweigend erhob und dem Ausgang zustrebte.
    Noch schneller als er war Fürst Wilhelm, sprang von seinem Sitz hoch und erreichte die Tür vor dem anderen. »Was ist mich Euch, Baron Gregor?«
    Der Angesprochene verharrte mitten im Schritt und sah den hochgewachsenen, schlanken Mann mit dem schütteren Blondhaar nachdenklich an.
    »Die Eule schrie«, sagte er dann leise.
    Wilhelm von Helleb schmunzelte. »Es geschieht zuweilen, daß Eulen schreien, besonders bei Nacht«, erwiderte er.
    Aber der Baron entwand sich der Hand, die sich auf seine Schulter gelegt hatte. Der Schwarzgekleidete verließ den Saal, in dem Wein und Bier in Strömen floß und kaum jemand der trunkenen Schar bemerkt hatte, daß der Fürst sich längst nicht mehr an seinem Platz befand.
    Wilhelm sah dem Baron nach. Der hatte so einen eigenartigen Blick gehabt, und der Herrscher entsann sich, daß man Baron Gregor schwach ausgeprägte Zauberkräfte nachsagte. Konnte er nicht unter bestimmten Voraussetzungen Gedanken erkennen?
    Fürst Wilhelm entschloß sich, ihm zu folgen. Gregor ging selten einem guten Tropfen und einem guten Fest aus dem Weg, auch wenn es derer viele in Helleb gab. Wenn er jetzt hinausging, noch ehe der letzte Zecher unter dem Tisch lag, geschah das nicht grundlos.
    Wilhelm hatte keine Eule gehört, die schrie. Und sein feines Gehör täuschte ihn niemals. Also mußte Gregor den Schrei mit seinem Zaubersinn vernommen haben.
    Die Tür glitt hinter Wilhelm ins Schloß; massive Eiche ließ das Grölen des Barden verstummen. Von Gregor war nichts mehr zu sehen.
    Mit raschen Schritten ging Wilhelm von Helleb in die einzig mögliche Richtung. Auf dem Kreuzweg sah er den Baron wieder. Der bog in den Innengarten des nach römischem Vorbild errichteten Bauwerks und blieb dort stehen. Daß es regnete, schien ihn nicht zu stören.
    Merkwürdig dunkel ist es, dachte Wilhelm, dem das alles nicht gefallen wollte. Er sah, daß der Baron zum Himmel emporsah, und folgte seinem Blick während er sich ihm näherte.
    Der Mond! durchfuhr es ihn erschrocken. Wo ist der Mond!
    Er konnte sich nicht irren. Es war die Zeit des Vollmonds. Er mußte am Himmel stehen und hin und wieder zwischen den Gewitterwolken hindurch scheinen.
    Innerhalb von Sekunden war der Fürst bis auf die Haut durchnäßt, als er zu Gregor trat. Der Baron schien ihn gehört zu haben, obgleich der strömende Regen fast alle Geräusche schluckte.
    »Schaut, mein Fürst«, sagte Gregor und streckte den Arm aus.
    Wilhelm sah in die angegebene Richtung - und erstarrte.
    »Der Leu-Turm!« stieß er hervor.
    Der Turm, dessen Haupttor von einem mächtigen Löwenkopf geziert wurde, gehörte zum Festungswerk der Stadtburg, war darüber hinaus bewohnt. Manch einer nannte ihn nicht, wie es des Zierrats wegen hieß, den Leu-Turm, sonderen den Turm des Schreckens, und böse Zungen behaupteten, daß dies seinen guten Grund habe. Denn in den Mauern des Turms hatte Ritter Erlik seine Wohnung, dessen Gesänge so manches verwöhnte Ohr veröden ließen und überdies stets zum Unrechten Zeitpunkt in überaus lauter Form ertönten.
    Doch jetzt schien es anders zu sein.
    Oder auf den Zinnen geschah etwas, das Fürst Wilhelm erschauern ließ.
    Eine seltsame, finstere Gestalt bewegte sich dort, und als sie den Kopf drehte und hinunter sah, fuhren die beiden Helleber zusammen. Denn in den Augen des
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