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Der Eiserne Rat

Der Eiserne Rat

Titel: Der Eiserne Rat
Autoren: China Miéville
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In vergangener Zeit, da wühlen Männer und Frauen einen Pfad durch die unberührte Steppe, schreiben mit Hacke und Schaufel Geschichte. Tun es noch und in Ewigkeit, und Kampfgeschrei verzerrt ihre Münder. In Wildnis und felsigen Klüften, in Wald, Buschland, Mauerschatten. Sie streben vorwärts, unaufhörlich.
     

     
    Und in längst vergangener Zeit, da steht einer auf einem Berghöcker, einer geballten Felsenfaust. Bäume bedecken den Gipfel wie ein verlaufener Wellenschlag des Waldes. Er steht über einer grünen Welt, während unter ihm auf gefiederten und lederhäutigen Schwingen, die Bewohner der Lüfte kreisen, ohne seiner zu achten.
    Vorbei an Pfeilern aus Batholith führt der Pfad, den er gebahnt hat, von Städten aus Tuch gesäumt. Es gibt Menschen und ihre Lagerfeuer, die kastrierten Vettern der Brände, die Waldland in fruchtbaren Acker verwandeln.
    Der Einsame steht in eisigem Wind, der diesen vergangenen Augenblick für die Ewigkeit gefrieren lässt, während sein Atemhauch sich als Reif im Bart niederschlägt. Er konsultiert kälteträges Quecksilber in einem Röhrchen, ein Barometer und eine vielfach geknotete Schnur. Er bestimmt seine Position und die seiner Männer über dem Bauch der Welt, in einem Herbst in den Bergen.
    Sie haben den Aufstieg bewältigt. Kolonnen von Arbeitern sind im Kampf gegen die Schwerkraft unterlegen, in Trauben im Lee von Felswänden und -erkern hängend. Sklaven ihrer Ausrüstung, schleppten sie die Gerätschaften aus Holz, Messing, Glas, vertriebenen Nabobs gleich durch die Welt.
    Der Einsame saugt den lange vergangenen Augenblick ein, lauscht dem Rascheln der die Bergwelt durchstreifenden Tiere, dem Wogenrauschen der Bäume. Schluchten hat er ausgelotet und in Zahlen gefasst, hat sie markiert und den Karten einverleibt und ein Idyll erschaffen, indem er die Parameter des Peneplain erforschte, offener Bergkessel, der Klüfte, Bäche, Flüsse und buschbestandener Steppe. Wo Kiefern oder Eschen zum Rain gebändigt stehen und er den Halbmesser einer Biegung ermittelt, dünkt die Natur ihn erhaben.
    Kälte raubt ihm sechs seiner Männer, sie bleiben weiß und steif in flachen Gräbern. Githwings berieseln den Trupp mit Blut, Bären und Verfinsterungen fordern Tribut, Männer verirren sich angstvoll und weinend unauffindbar im Dunkel, und Maultiere verenden, und Trassierungen scheitern, und manche ertrinken, und Eingeborene morden aus dem Hinterhalt, doch das sind alles andere Augenblicke. Nun, in dieser längst vergangenen Zeit, gibt es nur einen Mann oberhalb der Baumgrenze. Westwärts versperren Berge ihm den Weg, jedoch in diesem Moment sind sie noch fern.
    Er hört nur die Stimme des Windes, dennoch weiß er, dass man im Zorn oder mit Bewunderung seinen Namen nennt. Hinter ihm brodelt Uneinigkeit. An seiner Person, seinem Vorhaben scheiden sich die Geister. In den gemauerten Schroffen seiner Heimatstadt hat sein Unterfangen Familien entzweit. Manche behaupten, sie sprächen mit Götterzungen und er sei vermessen. Er sei ein Ärgernis auf dem Antlitz der Welt, und seine Pläne und Wege seien sündhaft.
    Der Mann beobachtet das Vorrücken der Nacht. (Viel Zeit ist vergangen seit diesem Moment.) Er betrachtet das scharfe Zickzack der Dämmerschatten, und bevor er das Blechgeschirrklappern seiner Männer beim Abendessen hört oder den Duft des bratenden Wildbrets wahrnimmt, das er mit ihnen verzehren wird, gibt es nur ihn und den Berg und die Nacht und seine Bücher mit den Aufzeichnungen von allem, was er gesehen hat, und die Karten dieser teilnahmslosen Höhen und seine Sehnsucht.
    Er lächelt, nicht hämisch, nicht selbstzufrieden oder überheblich, sondern freudevoll, weil er weiß, seine Pläne sind heilig.

 
Erster Teil

     
Fährten

 
Kapitel 1
     
     
    Ein Mann rennt. Bahnt sich einen Weg durch lebendige Wände aus Rinde und Laub, durch die virtuellen Kammern und Stuben des Rudewood.
    So tief im Wald hört man ursprüngliche Geräusche. Das Laubdach wogt. Der Mann ist schwer bepackt und schwitzt unter der Macht der unsichtbaren Sonne. Er bemüht sich, auf einem bestimmten Pfad zu bleiben.
     

     
    Kurz vor Dunkelwerden fand er den gesuchten Ort. Kaum erkennbare Hotchi-Wechsel führten ihn zu einer schüsselartigen Mulde mit einem Rand aus nacktem Wurzelwerk und steiniger Erde. Die Bäume dünnten aus. Der Waldboden war zertrampelt, trug Spuren von Brand und Blut. Der Mann legte Rucksack und Decke ab, ein paar Bücher und Kleidungsstücke. Er bettete einen
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