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Kurpfalzblues

Titel: Kurpfalzblues
Autoren: Marlene Bach
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wirklich leid, Arno.« Vor allem wegen des Huhns, aber
man musste ja nicht immer alles sagen, was einem durch den Kopf ging. »Und
jetzt sollte ich mich beeilen. Mach’s gut. Ich melde mich.«
    War wahrscheinlich besser so. Jedes Abendessen mit Arno hinterließ
unweigerlich ein paar kleine Fettpölsterchen auf ihren sowieso nicht mehr allzu
schlanken Hüften.
    Als die schwere Haustür hinter ihr ins Schloss fiel und sie auf den
Wagen zuging, spürte sie es. Dieses ungute Gefühl, dass sie irgendetwas
vergessen hatte. Irgendetwas Wichtiges. Etwas sehr Wichtiges.
    Du lässt uns also wirklich sitzen. Sitzen lassen. Verdammt!
Sie hatte den Zeugen sitzen lassen. Am Neckarufer. Einfach vergessen!
    *
    Hans Martinsen war ein ausgesprochen geduldiger Mensch.
    »Mir ist inzwischen auch ganz schön kalt«, war die einzige
Beschwerde, die von ihm zu hören war. Seine Lippen waren blau, und eine
Gänsehaut überzog seine Arme.
    Maria bot an, ihn nach Hause zu fahren, damit er sich umziehen
konnte – gleiches Recht für alle. Herr Martinsen nahm dankbar an.
    Mit seinem runden Gesicht erinnerte er sie ein wenig an einen
Schuljungen. Herr Martinsen war etwas übergewichtig und wirkte nicht gerade wie
die Sportskanone, die allmorgendlich zur Joggingtour an den Neckar aufbrach.
Man konnte nur hoffen, dass seine Kondition besser war, als es auf den ersten
Blick aussah, und er die Wartezeit in nasser Hose gut überstanden hatte.
    Maria lenkte den Wagen durch Neuenheim, den Stadtteil Heidelbergs,
der sich direkt an das nördliche Neckarufer anschloss. In einigen Straßenzügen
standen hohe alte Häuser dicht bei dicht und die Autos davor Stoßstange an
Stoßstange.
    Herr Martinsen aber lebte in dem Teil, wo frei stehende Ein- und
Zweifamilienhäuser reichlich Platz für Kind und Kegel versprachen.
    Das Haus, vor dem er sie anhalten ließ, hatte eine hellgelbe Fassade
und eine lange gepflasterte Auffahrt, die zu einer großen Garage führte. Und es
sah ganz danach aus, als sei hinter dem Haus sogar noch ein Garten. Ein
absoluter Luxus in Anbetracht der Neuenheimer Immobilienpreise.
    »Habe ich von einer Tante geerbt. Die hatten mal eine kleine Fabrik.
Textilien«, erklärte Herr Martinsen, der ihren erstaunten Blick bemerkt haben
musste, fast entschuldigend.
    Er suchte nach seinem Schlüsselbund und öffnete die Eingangstür.
    »Ich ziehe mir nur schnell etwas Trockenes an. Bin gleich wieder
da.«
    Maria wartete im Wohnzimmer. Ein heller, freundlicher Raum, mit
großem Fenster zu einem Garten hinaus, genau wie sie vermutet hatte.
    Auf der Ledercouch lag eine flauschige Decke, so als sei gerade erst
jemand darunter hervorgekrochen. Davor standen ein paar Pantoffeln, auf dem
Wohnzimmertisch ein leeres Bierglas und ein Schälchen, in dem ein paar Erdnüsse
lagen.
    Maria hatte sich kaum in einem der breiten Sessel niedergelassen,
als es an der Haustür klingelte. Schnell sprang sie auf.
    »Ich geh schon, das ist mein Kollege«, rief sie in den Flur.
    Da Alsberger sicher noch etwas Erholung brauchte, hatte sie Dieter
Mengert dazubeordert.
    »Mein Gott, wie siehst du denn schon wieder aus!«, begrüßte sie ihn
an der Tür.
    Er war seit Jahren einer ihrer engsten Mitarbeiter, auch wenn ihr
nicht immer alles an ihm passte. Vor allem nicht seine Frisur.
    »Gefällt es dir?«
    Der Mann in der abgewetzten Lederjacke strich sich mit der Hand über
den nahezu kahl rasierten Schädel und grinste.
    »Nein. Ich steh nicht so auf Igel.«
    Mengert war Mitte vierzig und durchaus attraktiv – wenn er sich
nicht ständig dadurch verunstalten würde, dass er mit irgendeinem Rasierer
seine Haare selbst schnitt. Wahrscheinlich mit der kürzesten Einstellung, die
möglich war. Praktisch und billig, wie er immer wieder betonte.
    Maria schätzte die momentane Stoppellänge auf nicht mehr als zwei
Millimeter.
    Herr Martinsen hatte sich inzwischen umgezogen und hantierte in der
Küche herum. Als er mit Teekanne und Tassen ins Wohnzimmer kam, waren seine
Lippen nicht mehr blau, und auch die Gänsehaut war verschwunden.
    Herr Martinsen war Geologe, wie sie erfuhren, hatte sich aber
vorzeitig berenten lassen. Auf Marias Fragen hin begann er zögerlich zu
erzählen. Joggen war er am Neckar, allerdings erst zum zweiten Mal.
    »Ich habe ein bisschen zu viel auf den Rippen. Als ich letztens beim
Arzt war, hat er mir ins Gewissen geredet. Ich bin sowieso nicht der
Gesündeste, und dann war auch noch das Cholesterin zu hoch und der Blutdruck.
Da habe ich gedacht, jetzt
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