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Kurpfalzblues

Titel: Kurpfalzblues
Autoren: Marlene Bach
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muss ich wirklich etwas tun.«
    Herr Martinsen drückte wie zum Beweis mit dem Zeigefinger auf seinen
Bauch und sah dabei aus wie das Knack-und-Back-Männchen persönlich.
    »Ich bin extra früh raus. Um die Zeit ist es so schön da unten am
Fluss, und vor allem hat man noch seine Ruhe. Heute war es ein bisschen neblig.
Ich bin ein Stück gelaufen, und dann … dann habe ich sie gesehen.«
    Er räusperte sich. »Möchte jemand Tee?«
    Umständlich füllte Hans Martinsen die Tassen, lief noch einmal in
die Küche, um Zucker zu holen, den niemand verlangt hatte. Er machte ganz den
Eindruck, als würde er am liebsten nicht mehr über das reden, was er gesehen
hatte.
    »Sie hing im Neckar, am Ufer, unter dem Gebüsch«, begann er
schließlich. »Erst habe ich um Hilfe gerufen, aber es war ja niemand da außer
mir. Also bin ich ins Wasser und habe versucht, sie rauszuziehen.«
    Er stockte, trank von seinem Tee.
    »Aber es ging nicht. Sie hing fest. Ich habe gezogen, sosehr ich
konnte. Dann habe ich die Kordel gesehen, die zu diesem Baum führte. Sie war um
ihr Handgelenk gebunden. Ich … Ich habe sie losgemacht. Ich meine, ich … Ich
musste sie doch losmachen. Natürlich habe ich gesehen, dass sie tot ist. So wie
sie da im Wasser hing. Aber … ich … es tut mir wirklich leid …«
    Er holte tief Luft, als läge ein zentnerschwerer Stein auf seiner
Brust.
    »Es war wahrscheinlich ein Fehler«, fuhr er fort. »Ich hätte sofort
die Polizei rufen sollen. So wie dieser Mann gesagt hat. Der war ganz rot im
Gesicht, so hat er sich aufgeregt, weil ich sie losgebunden habe. Ich dachte
schon, der bekommt gleich einen Herzinfarkt. Ich … es tut mir wirklich leid.
Ich wusste nicht, dass man das nicht tun soll.«
    »Sie haben das alles völlig richtig gemacht, Herr Martinsen«,
versuchte Maria ihn zu beruhigen.
    Spurensicherung hin oder her, so konnte man mit den Leuten nicht
umgehen. Weder mit Zeugen noch mit Mitarbeitern. Jantzek verlor langsam
jegliches Maß. Für ihn bestand die Welt nur noch aus Spuren. Und wer eine Spur
vernichtete, der war automatisch sein Feind.
    Mengert, der es sich in einem der wuchtigen Sessel bequem gemacht
hatte, beugte sich nach vorn.
    »Und die Frau hing unter dem Gebüsch?«, fragte er.
    Herr Martinsen nickte.
    »Und Sie haben sie vom Weg aus sehen können?«
    Nun nickte Hans Martinsen nicht mehr. Verunsichert schaute er zu
Mengert, dann zu Maria.
    »Also?«, hakte Maria nach.
    Herr Martinsen sah vor sich auf den Couchtisch.
    »Ich … Ich habe … Ich habe …«, stotterte er.
    … sie gesehen, weil ich mal musste und ins Gebüsch gepinkelt habe,
beendete Maria innerlich seinen Satz.
    »Ich komme gleich wieder.«
    Abrupt stand er auf und verschwand in Richtung Flur. Dann war es
eine ganze Weile still. Als er wieder ins Wohnzimmer zurückkam, hatte er die
nasse Hose in der Hand, die er zuvor getragen hatte. Er suchte in ihren
Taschen, zog etwas hervor und hielt es Maria hin.
    »Ich hatte es einfach völlig vergessen. Wegen der Aufregung und
allem. Es tut mir sehr leid. Wirklich.«
    In seiner Hand lagen etliche Münzen. Ein blinkender Cent, ein paar
Fünfzigcentstücke und einige Eineurostücke.
    Genau wie Maria war auch Herr Martinsen ganz offensichtlich ein
schlechter Lügner. Seine Nase wurde zwar nicht länger, aber sein
Gesichtsausdruck verriet ihn. Er hatte die Münzen in seiner Hosentasche nicht
vergessen. Er hatte Angst gehabt. Angst, angebrüllt zu werden, weil er am
Tatort etwas aufgehoben hatte. Angst, noch mehr falsch gemacht zu haben.
    Am besten sollten sie Jantzek in Kur schicken. Oder ein Pfund
Beruhigungspillen in den Kaffee mischen.
    »Ein paar lagen auf dem Weg. Erst habe ich nur den Cent gesehen. Ich
hebe sie immer auf. Wer den Pfennig nicht ehrt, ist des Talers nicht wert. Das
hat mir meine Mutter so beigebracht. Und dann habe ich gesehen, dass da noch
mehr war.«
    Er legte die Münzen auf den Tisch und ließ sich auf die Couch
fallen.
    »Ein Euro und noch einer, mal fünfzig Cent. Ich heb auf und heb auf,
und dann stehe ich am Ufer, direkt vor diesem Gebüsch. Erst habe ich nur etwas
Rotes im Wasser gesehen. Da hat jemand eine Tasche weggeworfen, habe ich
gedacht. Irgendwo geklaut, schnell das Geld rausgeholt und dann weg damit. Aber
das Rote, das war keine Tasche, das war … das war sie … ihr Pulli … Ihre Haare
schwammen oben auf dem Wasser. Wie Seetang.«
    Herr Martinsen fuhr sich mit der Hand über die Augen, so als könne
er damit das Bild vertreiben.
    »Das ist
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