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Kurpfalzblues

Titel: Kurpfalzblues
Autoren: Marlene Bach
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und Mannheim herbei, um auf dem Marktplatz im Schatten der hohen
Fachwerkhäuser Kaffee und Kuchen zu vertilgen.
    Früher war Maria auch manchmal mit dem Rad hier gewesen, zusammen
mit ihrem Mann. Das war allerdings, bevor er seine Midlife-Crisis bekommen
hatte und meinte, sie wegen eines jungen Hühnchens verlassen zu müssen.
    »Ich glaube, hier geht es rein.« Maria zeigte auf das Straßenschild.
    Sie bogen in eine Gasse, in der Häuser, gestrichen in Altrosa,
Hellgrün oder Ocker, dicht beieinanderstanden, dazwischen manchmal Hoftore,
manchmal auch ein kleiner Garten. Irgendwo hörte man einen Hahn krähen.
    »Dahinten, das muss es sein.«
    Im Vergleich zu manch anderem Haus in der Straße wirkte das, in dem
Lea Rinkners Vater lebte, unscheinbar, fast schon baufällig. Der Putz bröckelte
an verschiedenen Stellen von der Fassade, und die Läden an den Fenstern sahen
aus, als sei es besser, sie nicht mehr zu benutzen.
    Alsberger parkte den Wagen ganz in der Nähe, dann gingen sie über
das buckelige Kopfsteinpflaster.
    Maria klingelte an der Haustür und klingelte noch einmal.
    Nichts passierte.
    »Hören Sie das?« Alsberger ging zu dem grün gestrichenen Tor, das in
die Mauer neben dem Haus eingelassen war. »Da ist jemand im Hof.«
    Ein lautes Geräusch war zu vernehmen, das in regelmäßigen Abständen
wiederkehrte.
    Alsberger schlug mit der Faust auf das Tor.
    »Hallo! Hallo, ist da jemand?«
    Keine Antwort.
    Er drückte die große gusseiserne Klinke herunter.
    In dieser Gegend gab es etliche Häuser mit wunderschönen Innenhöfen,
die zwischen Wohnhaus und den hohen Holzscheunen lagen, in denen früher oft
Tabak getrocknet worden war. Innenhöfe wie Paradiese, voll von Oleanderbüschen,
Geranienkübeln und heimeligen Sitzecken.
    Dieser Innenhof war das krasse Gegenteil davon. Der Boden war
asphaltiert, an der Wand rechts standen Mülltonnen. Keine Pflanze, keine Bank,
nichts. Am Ende des Hofes sah man auf das dunkle, fast schwarze Holz einer
Scheune, über deren Tor der riesige bleiche Schädel eines Tieres hing.
    Ein Elch- oder ein Hirschgeweih hätte vielleicht noch dekorativ
gewirkt, aber das, was dort zu sehen war, war ein länglicher, schmaler Schädel
mit Hörnern, der dem ganzen Innenhof eine morbide Wildwest-Atmosphäre gab.
    Die eine Hälfte des Scheunentores stand offen, und es war deutlich
zu hören, dass die Geräusche aus dem Inneren kamen.
    Vorsichtig warf Maria einen Blick hinein. Es dauerte einen Moment,
bis sich ihre Augen an das dämmrige Licht gewöhnt hatten.
    Der Mann, den sie dort im Halbdunkel sah, schien riesig zu sein. Er
stand mit dem Rücken zu ihr, breitbeinig, die Arme über den Kopf gestreckt.
Maria konnte den blanken Stahl der Axt sehen, die er in den Händen hielt. Er
ließ sie auf den Holzklotz niedersausen, mit einer solchen Wucht, dass die
Holzscheite rechts und links zur Seite flogen.
    »Herr Rinkner!«, rief Maria.
    Der Mann hielt inne, drehte sich um, die Axt in der Hand. Sein Kopf
war so groß, dass sie unweigerlich an den Schädel über dem Scheunentor denken
musste. Ein paar strähnige Haare klebten auf seiner verschwitzten Stirn, das
Kinn war mit grauen Stoppeln übersät.
    Brigitte Bardot hätte ihre Freude an ihm gehabt. Ein normannischer
Kleiderschrank – der allerdings etwas verwahrlost aussah. Seine Hose hatte
Flecken auf einem Bein, das karierte Hemd hing zur Hälfte in und zur Hälfte aus
dem Hosenbund.
    »Was wollen Sie hier?«
    »Sind Sie Kurt Rinkner?«
    Maria hielt ihm ihren Dienstausweis hin.
    Der Mann warf einen kurzen Blick darauf, und sein Gesichtsausdruck
wurde noch mürrischer, als er ohnehin schon gewesen war.
    »Mooser, Kripo Heidelberg. Es geht um Ihre Tochter, Lea.«
    »Hat sie was ausgefressen?«
    »Nein. Aber … vielleicht besprechen wir das lieber im Haus.«
    »Lea ist nicht da.«
    »Das wissen wir. Es wäre wirklich besser, wenn wir hineingehen
würden.«
    Rinkner legte die Axt auf den Holzklotz.
    »Kommen Sie mit«, sagte er.
    Sie folgten ihm zum Hintereingang des Hauses, einen dunklen schmalen
Flur entlang, bis in die kleine Küche. Rinkner setzte sich auf die Holzbank,
die an der Wand stand. Eine Zeitung lag auf dem Tisch davor, daneben ein
Aschenbecher voller Zigarettenstummel.
    Maria blieb stehen. Kurt Rinkner machte nicht den Eindruck, als habe
er Interesse daran, dass sie sich zu ihm setzten.
    »Also, was?«, fragte er und starrte vor sich auf das blaue
Wachstischtuch.
    »Ihre Tochter wurde heute Morgen tot aufgefunden. Wir müssen
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