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Kurpfalzblues

Titel: Kurpfalzblues
Autoren: Marlene Bach
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Tödliche Träume
    Eine leichte Brise, so sanft auf der Haut, als würde jemand
zärtlich darüber streichen. Hohe Palmen, gebeugt vom Wind, mit Kokosnüssen
zwischen den grünen Blättern. Feiner weißer Sand. Türkisblaues Meer. Wellen,
die ans seichte Ufer plätschern.
    Und ganz am Ende, da, wo Strand und Himmel sich berühren, ein
kleines Haus, weiß angestrichen, mit Tischen und Stühlen davor und gelben
Sonnenschirmen, die in den blauen Himmel leuchten. An der Hauswand ein Schild,
auf dem in großen Lettern »Leas Restaurant« zu lesen ist.
    Die Tür des Hauses öffnet sich, eine junge Frau tritt heraus,
barfuß, schlank, mit langem weizenblondem Haar, ein buntes Tuch um den schönen
Körper geschlungen. Einen kurzen Moment hält sie ihr Gesicht in die Sonne, dann
schaut sie hinaus auf das Meer.
    Auf den Wellen tanzt ein winziger Punkt. Er kommt näher und näher,
wird größer und größer, verwandelt sich in die Silhouette eines jungen Mannes.
Muskulös und braun gebrannt balanciert er auf einem Surfbrett über das Wasser,
die dunkel gelockten Haare flattern im Wind.
    Er lässt sich von den Wellen bis an den Strand tragen, das Surfbrett
gleitet noch ein paar Meter über den Sand, dann steigt er ab, geht langsam auf
das kleine weiße Haus zu, den Blick auf die junge Frau gerichtet. Er bleibt vor
ihr stehen, legt seine Hände um ihre Hüften und zieht sie an sich.
    »Hallo, Lea«, flüstert er.
    Und aus war es. Vorbei.
    Ihr Traum endete immer an der gleichen Stelle, zerplatzte wie eine
Seifenblase, die riesig und schillernd schön durch die Luft waberte, um dann am
Kühlschrank anzustoßen und nichts als ein paar nasse Spritzer auf dem Boden zu
hinterlassen.
    Lea griff nach ihrer Sporthose und schaute unter das Bett. Irgendwo
mussten ihre Joggingschuhe doch sein.
    Vielleicht hieß er Tom. Max wäre auch nicht schlecht. Aber wer
wusste schon, ob die in Australien ähnliche Namen hatten wie hier. Vielleicht
hießen die Jungs da ganz anders. Egal. Auch für den hässlichsten Namen ließ
sich irgendeine gute Abkürzung finden. Das sah man ja an Cloe.
    Sie sollte Cloe fragen, ob sie darauf bestand, dass ihr Name mit auf
dem Schild stand. »Leas & Cloes Restaurant«. Ging auch noch. Aber »Leas
Restaurant« klang einfach schöner, und man konnte es sich besser merken. Cloe
würde das schon verstehen.
    Sie musste sich beeilen. Nicht mehr lange, und es würde dunkel
werden. Sie hasste diese dämlichen Arbeitszeiten, hasste es, in dieses Korsett
gezwängt zu sein.
    Morgens rein in die Apotheke, abends raus aus der Apotheke. Ein
Kunde nach dem anderen, hier tat was weh, da tat was weh, ständig das Gejammer,
und wenn einer mal nicht jammerte, dann wurde man garantiert angehustet oder
angeniest.
    Unter dem Bett waren die Schuhe nicht. Auch nicht in dem winzig
kleinen Flur. Aber unter dem Küchentisch wurde sie endlich fündig.
    Zwei Minuten später lief Lea die Treppe hinunter, die blonden Haare zum
Zopf gebunden, der hin und her wippte.
    Im Hausflur war das Licht kaputt, wieder einmal. Trotzdem konnte sie
im Halbdunkel den weißen Umschlag sehen, der aus ihrem Briefkasten
herausschaute. Bestimmt wieder irgendeine blöde Reklame.
    Sie zog den Brief hervor. Es stand keine Adresse darauf.
    Das Papier, das sie in dem Umschlag fand, war sorgfältig gefaltet.
Lea strich es glatt und überflog die gedruckten Zeilen:
    Schönste der Schönen, die mein Herz betört,
    befruchtet von der Schlange, die dein Schreien nicht hört.
    Der Einsamkeit Klaue, todbringend die Pein,
    der Bräutigam kann länger nicht ohne dich sein.
    Nun erlischt der Sonne wärmender Strahl,
    erlöst werd’ ich endlich von grausamer Qual.
    Es ist an der Zeit, die Nebel steigen,
    komm, Gottesbraut, komm, zum Hochzeitsreigen.
    Wenn das Reklame war, dann war sie auf jeden Fall voll daneben. Gottesbraut . So ein Schwachsinn.
    Den Brief noch in der Hand, riss Lea die Haustür auf und trat hinaus
in die frische Abendluft. Endlich war es abgekühlt. Der Sommer war entsetzlich
drückend und schwül gewesen. In den engen Gassen der Altstadt hatten die Mauern
die Hitze gespeichert wie in einem Backofen, sodass sie nachts manchmal
glaubte, in ihrem kleinen Zimmer ersticken zu müssen.
    Aber das war ihr letzter Sommer in einem Backofen. Ganz bestimmt.
    Sie zerriss den seltsamen Brief und warf ihn in die Mülltonne. Dann
lief sie über das Kopfsteinpflaster in Richtung Alte Brücke. Es dämmerte schon,
aber sie musste raus, sie brauchte das Laufen, um den Kopf frei zu
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