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Kristall der Träume

Kristall der Träume

Titel: Kristall der Träume
Autoren: Barbara Wood
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bestialisch und dampfte noch, das bedeutete, dass der Kothaufen frisch und der Bär in der Nähe war.
    »Das müssen wir den anderen sagen!«, rief Emmeline aufgeregt.
    »Wir können ihn töten! Wir haben zu essen…«
    »Nein! In einer Gruppe würden wir das Tier verscheuchen und nie mehr finden. Wenn ich mich mit einem Gewehr anschleichen könnte… «
    »Matthew, du bist kein Jäger!«
    Eine innere Stimme sagte ihm, dass dies etwas war, das er allein und rasch erledigen musste. Mit Herzklopfen rannte er zu einer der Unterkünfte, schnappte sich Charlie Benbows Gewehr. Er konnte es den anderen nicht erklären, die ohnehin zu schwach und zu lethargisch waren, um zu merken, dass er das Gewehr nahm. Und es wäre einfach zu grausam, ihnen unnötig Hoffnung zu machen. Er bedeutete Emmeline, im warmen Zelt auf ihn zu warten und für ihn zu beten.
    Es grenzte an Wahnsinn, allein und nur mit einem Vorderlader bewaffnet, einen Bär stellen zu wollen, aber Matthews Denken wurde in diesem Moment nicht von Vernunft gelenkt. Er sicherte die Waffe und stopfte sich die einzige andere Kugel zum raschen Nachladen in seinen Fausthandschuh. Dann folgte er der Bärenspur mit einiger Schwierigkeit, denn der Schnee blendete ihn so sehr, dass er die Augen zusammenkneifen musste. Bei jedem Atemzug brannten seine Lungen, und seine Füße waren bereits taub. Hin und wieder hielt er inne und lauschte, aber der schneeweiße Wald lag totenstill. Seine Verzweiflung wuchs mit jeder Minute. Er musste dieses Tier finden! Er musste die anderen von dem unvorstellbaren Vorhaben abhalten. Matthew war in Achtung vor den Toten erzogen worden. Leichenschändung war etwas Abscheuliches. Die Toten konnten sich nicht wehren, es oblag den Lebenden, sie zu schützen.
    Aber die Leute im Camp waren doch selber bereits wandelnde Tote.
    Plötzlich erstarrte er. Da, gut fünfzig Meter vor ihm, stand ein riesiger Grizzlybär und scharrte im Schnee. Matthew schlich sich näher heran, kauerte sich hinter einen Baum, entsicherte das Gewehr, legte sorgfältig an und feuerte.
    Der Bär brüllte auf, dann stellte er sich auf die Hinterbeine. Er sah Matthew und stürzte auf ihn los. Rasch lud Matthew Pulver nach und rammte die zweite Bleikugel in den Lauf. Er legte an und feuerte abermals. Ein Aufbrüllen, und der Bär taumelte. Er ließ sich auf seine vier Pfoten fallen und lief davon. »Warte«, rief Matthew hinter ihm her, nicht glauben wollend, dass er dem Tier so nah gewesen war und es jetzt verlieren sollte. »Bitte! « Tränen liefen ihm über das Gesicht. All diese Nahrung. Er hätte alle retten können. Aber er hatte schlecht gezielt und danebengeschossen.
    Dann entdeckte er die Blutspur im Schnee.
    Er hastete ins Camp zurück. Um den Leichnam von Helmut Schumann waren mehrere Männer versammelt, Mr. Benbow hielt ein Schlachtermesser in der Hand. Die Frauen saßen weinend um das Feuer geschart. »Halt!«, rief Matthew.
    Als er den Männern hastig von dem Bären erzählte und sie aufforderte, ihm zu folgen, fand er keine große Zustimmung. »Ein verwundeter Bär ist gefährlich«, wandte Aahrens, der Barbier, ein.
    Charlie Benbow pflichtete ihm bei: »Ich habe gesehen, was ein angeschossener Bär einem Menschen antun kann. Es ist Selbstmord, Doc. «
    Bret Hammersmith meinte: »Warum folgen Sie ihm nicht?
    Schauen Sie nach. Dann kommen Sie uns holen.«
    Matthew blickte in die hohläugigen, von Hunger gezeichneten Gesichter und wusste, dass die Männer nicht auf ihn warten würden.
    Sie wollten ihn bloß loswerden. »Ich bin zu geschwächt«, erklärte er, und das entsprach der Wahrheit. »Ich schaffe es gerade noch einmal durch den Schnee, dann bin ich erledigt. Ich bitte euch alle mitzukommen. Ich habe diesen Bären so gut wie erledigt. Er lebt nicht mehr lange. Und wenn wir ihn finden, haben wir genug Nahrung, um zu überleben.« Er schaute sich in der Hölle um, in der sie bereits standen. »Unsere Körper mögen hier wohl überleben, aber unsere Seelen werden tot sein.«
    Sogar Emmeline fürchtete sich, das Lager zu verlassen. Er nahm ihre eiskalten Hände: »Du musst jetzt Mut beweisen, Emmeline. Für die anderen. Wenn du gehst, werden die anderen folgen.«
    »Aber ich habe Angst.«
    »Ich sorge dafür, dass alles gut geht. Keine Sorge, mein Schatz.«
    Am Ende folgten sie ihm, halb verhungerte Menschen, die sich an den Händen hielten, Angehörige auf dem Rücken schleppten, wahnsinnig vor Hunger durch Schneewehen stolperten. Sie trugen nur wenige kostbare
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