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Kristall der Träume

Kristall der Träume

Titel: Kristall der Träume
Autoren: Barbara Wood
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berichtet, die am letzten Pass gestrandet seien. Sofort hatten sich Freiwillige gemeldet, waren mit Waffen und Proviant losgezogen und hatten die Strecke in Rekordzeit bewältigt. Von den hundertzweiundsiebzig Männern, Frauen und Kindern, die im August in Fort Bridger aufgebrochen waren, hatten weniger als hundertzwanzig überlebt.
    Alle beharrten darauf, dass sie ihre Rettung einzig und allein Doc Lively, seinem Mut und den richtigen Entscheidungen in den schlimmsten Situationen zu verdanken hatten. Keiner erwähnte auch nur mit einem Wort den Zwischenfall mit Helmut Schumanns Leiche.
    Schließlich langten sie in Sutter’s Mill an, einem geschäftigen Ort, in dem das Goldfieber grassierte. Matthew drehte den Wunderstein ein letztes Mal in der Hand. »Ich kann ihn nicht sehen«, erklärte er mit Nachdruck. »Was kannst du nicht sehen?«
    »Den Geist des Kristalls. Siehst du diese Wolke im Inneren des Steins? Wie Diamantenstaub. Er verändert seine Form, wenn man den Stein im Licht dreht. Meine Mutter meinte, es sei ein Geist, aber ich sehe nur mineralische Ablagerungen.« Er hielt Emmeline den Stein hin. »Was siehst du darin?«
    Sie betrachtete den Kristall aufmerksam. »Ich sehe ein Tal. Ein lauschiges, grünes Tal, wo wir uns ansiedeln und ein neues Leben beginnen werden.« Sie reichte ihm den Stein zurück. »Ich weiß nicht.« Matthew suchte angestrengt in dem kristallinen Inneren nach Emmelines Tal. »Die ganze Zeit habe ich gedacht, der Kristall bedeutete mir, was zu tun sei. Aber vielleicht habe doch ich selbst die Entscheidungen getroffen und nicht der Stein. Ich wollte nach Westen ziehen, also habe ich den Stein so lange gedreht, bis er nach Westen zeigte. Als Ida Threadgood dich am Fluss zurückließ und du eine Reisegelegenheit brauchtest, hatte ich bereits beschlossen, dich aufzufordern, bei mir mitzufahren.« Er lächelte verschmitzt. »Wenn ich das nicht gewollt hätte, hätte ich auch den Stein nicht befragt.
    Nur hatte ich nicht genug Selbstvertrauen, meine Entscheidung selbst zu treffen. Der Kristall war meine Krücke. Ich brauche sie nicht mehr.«
    »Du bist etwas voreilig mit deinem Urteil«, wandte Emmeline ein, die lange über das Wunder an dem Bergsee nachgedacht hatte.
    »Der Kristall der Träume hat uns zu den Bärenspuren geführt. Ohne ihn wären wir alle mit Sicherheit längst tot.«
    Matthew nickte zustimmend. Nach einem Moment des Zögerns sagte er: »Ich habe mir überlegt, Emmeline, dass Lively ein merkwürdiger Name für einen Leichenbestatter sein mag, für eine Hebamme jedoch ist er geradezu perfekt.« Er wurde ernst. »Ich weiß, dass du dir geschworen hast, nie zu heiraten, aber… « Sie legte ihm den Finger auf den Mund. »Selbstverständlich werde ich dich heiraten, mein geliebter Matthew, denn wir beide sind das perfekte Paar, Hebamme und Bestatter. Ich helfe den Menschen auf die Welt, und du geleitest sie hinaus.«
    Sie nahm den blauen Kristall noch einmal zur Hand und hielt ihn ins Sonnenlicht. »Ich frage mich, wer all die Leute waren, die diesen Stein um Rat, um Schutz oder um Glück gebeten haben. Und ich frage mich, ob sie wie du waren, Matthew, blind ihrer eigenen Stärke gegenüber, aber voll Vertrauen in ein lebloses Mineralgestein. Am Ende hast du doch noch deine eigene Stärke entdeckt, die Kraft, die in uns allen steckt, die Kraft, alle Fährnisse zu überwinden. Die Menschen sind stark, Matthew, das weiß ich jetzt. Wir können es mit jeder Schicksalsprüfung aufnehmen und werden gewinnen.«
    Emmeline sah Matthews strahlend an. »Du hast Recht, wir werden den Kristall nicht mehr brauchen.« Sie steckte den Stein in Matthews Jackentasche. »Aber vielleicht kann in ferner Zukunft jemand den Kristall der Träume gebrauchen, der ihm hilft, die Kräfte, die in ihm stecken, zu wecken und zu entfalten.«
    Matthew gab Emmeline einen Kuss, dann knallte er mit der Peitsche, und ihr Planwagen rollte los, ihrem zukünftigen grünen Tal und neuer Hoffnung entgegen.

    Interim

    Die Livelys kauften Land, investierten in Goldminen und Eisenbahnen und wurden reich. Matthew übernahm eine führende Rolle in seiner Gemeinde und kandidierte in späteren Jahren für den Kongress, und er machte seine Sache gut. Als er einmal gefragt wurde, welchen Rat er künftigen Einwanderern für den Oregon-Trail oder den Kalifornien-Trail geben würde, erwiderte Matthew. »Nie eine Abkürzung nehmen.« Er und Emmeline erreichten ein hohes Alter. Sie wurden in Lively ville, Kalifornien beigesetzt.
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