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Krieg der Sänger

Krieg der Sänger

Titel: Krieg der Sänger
Autoren: Robert Löhr
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Teppichen betteten, um ein letztes Mal zu schlafen,
säuberte Walther vor dem Feuer seinen schmutzigen Schild, den er Biterolf für
den Ausfall geben wollte. Biterolfs Blick fiel auf die beiden Püppchen, die
Agnes ihrem Sohn hatte mitbringen wollen. Er warf beide zu Ofterdingens
brennender Fiedel in den Kamin und beobachtete, wie Kreuzfahrer und Sarazene
von den Flammen verzehrt wurden.
    »Was war eigentlich damals in Akkon?«

WALTHER VON DER VOGELWEIDE
    Im 1191. Jahr der Fleischwerdung des Herrn, zehn Tage nach
Mariä Heimsuchung, hatten die gesammelten Streitkräfte Philipps  II . von Frankreich, Richards  I .
von England, Leopolds  V . von Österreich und der
Tempelritter die Mauern von Akkon mit Gottes Segen dermaßen zerschlagen, dass
Baha’ al-Din Qaraqush keine andere Wahl gehabt hatte, als sich mit seiner
dezimierten Garnison den Kreuzrittern zu unterwerfen. Groß war das Halleluja
der Christenheit, dass man das alte Ptolemais nach vier Jahren aus den Händen
Sultan Saladins zurückerobert hatte; diese Pforte nach Syrien und Palästina,
diese zweitwichtigste Festung der Levante. Was war dieser Sieg teuer erkauft,
wie hatten die Belagerer an Hunger, Durst und Krankheiten gelitten! Friedrich
Barbarossa war noch auf dem Weg nach Kanaan gestorben, und seinen Sohn, Friedrich
von Schwaben, hatte das Fieber ebenso dahingerafft wie Ludwig  III ., Landgraf von Thüringen, sodass von den Deutschen am
Ende nur noch Leopold von Österreich mit seinem Heer vor Akkon ausgeharrt
hatte.
    Die Kunde von Akkons Kapitulation erreichte Heinrich von Ofterdingen
und Walther von der Vogelweide vor dem Feldlazarett der Deutschen, das
Kreuzfahrer aus Bremen und Lübeck aus dem weißen Segel einer Kogge errichtet
hatten. Dort hatten die beiden jungen Ritter aus dem Gefolge Leopolds ihre
Wunden vom Vortag behandeln lassen. Heinrich und Walther brachen sofort auf, um
den Einzug in die aufgebrochene Seefestung und ihre Plünderung nicht zu
verpassen. Sie wiesen ihre Knappen an, auf ihre Zelte am Ufer des Belus Acht zu
geben, da sie die Nacht in der Stadt verbringen wollten, und schlossen sich dem
riesigen Zug aus Engländern, Franzosen und Deutschen an, der unter dem Hochruf Deus vult! nach Akkon strömte, vorbei am verlassenen
Belagerungsgerät, den Ebenhöhen und Katapulten, und über die reichlichen Minen,
die wie Maulwurfsgänge den Grund um die Festung unterhöhlt hatten.
    Akkon, die Münzstätte des Teufels: Hier waren die Silberlinge
geprägt worden, um derentwillen Judas Iskariot das Heil der Welt verraten
hatte. Walther erschien es wie der Eintritt in eine Fabelwelt. Der künstliche
Hafen, die Prachtgebäude, die Kuppeln, die himmelstürmenden Türme, die
Wasserleitungen, die Springbrunnen und die Gärten – all das war von einer
Schönheit und Meisterschaft, dass man fast bedauern mochte, dieses Kunstwerk
mit Felsen und Feuer beschossen zu haben.
    Für die Bewohner von Akkon hingegen, die sich, so gut es ging,
verborgen hielten, musste es scheinen, als habe die Hölle ihre Pforten geöffnet
und die Verdammten heraufgesandt: Hagere Männer in schwarzem Eisen wälzten sich
mit gierigen Blicken und fremder Zunge durch ihre Gassen, die Haut farblos grau
wie Asche oder gelb wie Lehm. Plünderungen konnten die Kreuzfahrerkönige nicht
verbieten, aber sie hatten angeordnet, zumindest die Einwohner zu verschonen,
denn jeder muslimische Kopf verhieß ein Lösegeld. Nicht jeder Gotteskrieger
folgte der Weisung. Zahlreiche Männer wurden unter Vorwänden erschlagen,
zahlreiche Frauen geschändet. Hier und da war ein Christ so unzufrieden mit der
Beute, dass er einem Heiden den Bauch aufschnitt, um nachzusehen, ob dieser
sein Gold vielleicht verschluckt habe, um es vor den Franken zu verbergen. Aber
mehr als nach Gold, Purpurstoffen und Spezereien stand den Kreuzfahrern der
Sinn nach sauberem Wasser, Speisen und festen vier Wänden aus Ziegeln und Lehm,
die Schutz gewährten vor der Julihitze der Wüste.
    Mit einer bunt gewürfelten Gruppe von Deutschen nahmen Walther und
Heinrich ein mehrstöckiges Haus samt seiner Bewohner in Besitz, ließen sich
Schätze und Speisen aushändigen und fanden schließlich in der Küche im
untersten Geschoss zusammen, um sämtliche Hühner des Hauses zu braten. Ein
Ritter aus Böhmen und sein Knappe waren Teil ihrer Gesellschaft, zwei Männer
aus Kärnten und aus Thüringen ein bejahrter Zimmermann, der den Bau einer
Ebenhöhe geleitet hatte – sowie ein zahnloser syrischer Christ aus der
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