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Krieg der Sänger

Krieg der Sänger

Titel: Krieg der Sänger
Autoren: Robert Löhr
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küsste ihre Gewänder,
riss sich gar den Turban vom Kopf und flehte mit Tränen in den Augen darum,
seine ehrenwerten Gäste mögen von der Grausamkeit absehen, ihn zum Verrat an
Allah und Mohammed zu nötigen. Die Kärntner hielten sich den Bauch vor Lachen,
und der zahnlose Syrer stimmte mit ein.
    Man hätte dem zeternden Alten ewig zusehen können. Aber da er
augenscheinlich nicht freiwillig konvertieren wollte, präsentierte der Böhme
die Instrumente: Dolch, Schwert und Morgenstern. Sein Knappe legte eine
Eisenstange ins Feuer. Der Sarazene erblasste.
    Erneut ging Walther dazwischen: Man habe seinen Spaß mit dem Mann
gehabt, nun sei es aber wirklich genug. Er erinnerte sie an das Wort des
Heilands, einen jeden zu lieben, auch den Feind. Heinrich hielt dagegen:
Erstens sei es ihr Auftrag, auf dem Weg zum Heiligen Grab so viele Heiden zu
vernichten wie möglich, zweitens müsse irgendjemand büßen für die vielen Freunde,
die man vor Akkon verloren hatte, und drittens wolle man den Braunen ja kein
Leid antun, sondern sie auf den rechten Pfad führen, wie es das Bibelgebot
befehle. Im Übrigen sei Walther ein Heuchler, wenn er sich jetzt plötzlich vor
die Sarazenen stelle, nachdem er in den Wochen zuvor so viele von ihnen in die
Hölle befördert habe.
    »Gott wird uns dafür belohnen, dass wir sie vom Irrglauben geheilt
haben«, pflichtete der Erfurter Zimmermann bei und hob sein Kruzifix in die
Höhe, das er während der Belagerung aus dem Holz einer Libanonzeder geschnitzt
hatte und in das seiner Überzeugung nach ein Splitter des Tisches eingearbeitet
war, an dem Christus sein letztes Abendmahl eingenommen habe. Die Kärntner
schnitten den Schinken in schmale Streifen, damit auch jeder der Heiden sein
Stück Speck bekäme.
    Walther erkannte, dass er nichts ausrichten konnte; dass er vielmehr
Gefahr lief, selbst Prügel einzustecken, sollte er seinen Gefährten weiterhin
den Spaß verderben. Aber dabei sein wollte er bei dieser geschmacklosen
Missionierung nicht. Er verließ die Küche, drängte rüde durch die Schar der
übrigen Hausbewohner, die den Wortwechsel verstört mitverfolgt hatten, und nahm
die Stufen nach oben. Gedämpft hörte er noch das Gejohle und den Applaus der
Ritter, als der Hausherr in den Schinken biss. Dann hatte Walther das Ende der
Treppe erreicht und war auf dem flachen Dach des Hauses angekommen. Er schritt
über die Gebetsteppiche hinweg bis an die Attika.
    Der Sternenhimmel über Akkon war wie immer ein Ereignis. Er half Walther,
wieder zur Ruhe zu kommen. Er legte den Kopf in den Nacken und folgte dem
weißen Sternenband einmal quer übers Firmament, von den Minaretten der Stadt in
seinem Rücken bis zu den Masten der Venezianer, Genuesen und Pisaner im Hafen.
In seinen Ohren klang das besänftigende Rauschen des Mittelmeers. Er hielt
Ausschau nach Sternbildern und summte eines von Heinrichs Liedern, bis er
hinter sich ein Geräusch hörte.
    Aus dem Untergeschoss war ihm ein Mädchen nachgefolgt. Sie mochte
vielleicht dreizehn oder vierzehn sein. In ihren Händen hielt sie ein Messer.
Sie redete einige Sätze, von denen Walther kein Wort verstand außer dem Namen
ihres Gottes und ihres Propheten, und zeigte dabei immer wieder nach unten, zur
Küche, wo gerade der Glaubenswechsel ihrer Familie erfolgte.
    Was sie von ihm, Walther, verlangte, begriff er, noch bevor sie ihm
das Messer reichte. Er nahm es unbewusst entgegen, schüttelte aber den Kopf.
    »Es ist doch nur etwas Speck und Wein«, sagte Walther. »Das schmeckt
gut.« Er schmatzte anschaulich und rieb sich den Bauch. Aber als er ihr das
Messer zurückgeben wollte, wies sie es von sich.
    »Ich werde dich nicht erstechen. Lauf weg. Versteck dich. Das ist es
nicht wert. Hier, spring aufs Nachbardach.«
    Da sie das Messer nicht annahm, warf er es von sich in einen Winkel
des Daches. Sie holte es zurück, hob zu einer weiteren Anrufung an und zog mit
beiden Händen das Gewand von ihrer Brust. Mit dem Finger zeigte sie auf das
Stück Haut über ihrem jugendlichen Busen, das er durchstechen musste, um sie zu
töten. Sie nahm seine Hand, aber er entriss sie ihr wieder, bevor sie das
Messer hineinlegen konnte.
    Walther wurde es zu viel. Er musste umgehend fort vom Dach, wenn es
nicht zu einem Unglück kommen sollte. Aber sie versperrte ihm den Weg. Mit dem
Messer stürzte sie sich auf ihn. Geübt packte Walther ihre Hand und entwand ihr
die Klinge, aber sie hielt ihn umklammert. Unter den Sternen vollführten sie
einen grotesken
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