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Krieg der Sänger

Krieg der Sänger

Titel: Krieg der Sänger
Autoren: Robert Löhr
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mit keinem Vers auf sich selbst
hingewiesen. Es war ihm einfach nicht wichtig, was nach dem Tod aus seinem
Namen wurde. Außerdem hatte er eh alles beim Volk geklaut. – Reinmar wurde, um
deine Frage vorwegzunehmen, in allen Ehren bestattet und betrauert. Waren das
alle?«
    »Ja«, sagte Luther. Er stand auf und öffnete eines der Fenster, um
frische Luft hereinzulassen. »Nein: Der junge Thüringer fehlt noch.«
    »Schande über uns, wir haben Biterolf von Stillaha vergessen!«, rief
der Teufel aus. »Aber da sind wir nicht die Einzigen. Ihm selbst war damals
schon bewusst, dass sein mittelmäßiges Werk nicht fortleben würde und dass,
wenn überhaupt, sein einziger Nachruhm darin bestehen würde, zwei Wochen mit
den Ruhmreichsten seiner Zeit verbracht zu haben. Er wurde Forstmeister im
Thüringer Wald. Er nahm sich Klaras an, die nun niemanden mehr hatte und sich
an ihn klammerte wie ein Vögelchen, das aus dem Nest gefallen war, gründete mit
ihr im Stilletal eine Familie und lebte lang und zufrieden. Und noch Jahre
danach, in den langen Thüringer Raunächten – als Walther längst entschlummert
war und Wolfram am Schlagfluss gestorben, als die Schwindsucht den tugendhaften
Schreiber dahingerafft hatte und ein übel gewürztes Bier den Ofterdinger –,
erzählte Biterolf am Herdfeuer seinen Enkeln vom Wartburgkrieg. Wie ich es
gerade getan habe, um dich von der Verderbtheit des Menschen zu überzeugen.«
    »Die Verderbtheit des Menschen?«, wiederholte Luther. »Aber beweist
deine Geschichte nicht gerade das Gegenteil?«
    »Du machst Scherze. Sollen wir noch einmal zusammenzählen, wie viele
Opfer dieses Gemetzel gefordert hat? Unser beider Hände haben bei Weitem nicht
genug Finger dafür!«
    »Aber der junge Biterolf hat den Ofterdinger christlich und
selbstlos aus größter Not errettet.«
    »Biterolf lag nichts an Heinrichs Wohl. Er wollte seiner
Auserwählten, den älteren Sängern und sich selbst etwas beweisen. Und außerdem
hat er aus Rachedurst einen blinden Greis ermordet!«
    »Dann nimm Wolfram«, insistierte Luther. »Wolfram hat sein Leben
aufs Spiel gesetzt, um einen Sünder zu retten, den er hasste.«
    »Mir kommen die Tränen. Wolfram tat es doch nur, weil er wollte,
dass Heinrich ein Leben lang in seiner Schuld steht. Seine moralische
Überlegenheit wollte er in Stein meißeln. Wäre Wolfram ein wahrer Christ
gewesen, hätte er sich dann fortlaufend mit Heinrich geprügelt?«
    »So kannst du jeden Umstand in deinem Sinn auslegen, Wortverdreher.
Aber keine Redekunst der Welt und der Hölle kann die Hingabe von Agnes und den
beiden Knechten herabwürdigen oder die Treue von Wolframs Knappen. Von Walthers
später Einsicht ganz zu schweigen.«
    Der Teufel winkte ab. »Und? Eine Handvoll Aufrechter in einer Burg
voller Teufel.«
    »Und wenn die ganze Welt voll Teufel wäre und nur ein Aufrechter darin wandelte, es wäre genug, meinen
Glauben an das Gute im Menschen zu bewahren«, sagte Luther und lächelte. Er
wies auf das Manuskript auf seinem Tisch. »Du musst mich nun entschuldigen.
Deine Erzählung war unterhaltsam, aber ich darf darüber meine Arbeit nicht
vergessen. Ich muss das Kapitel beenden, in dem Jesus den Versuchungen
widersteht.«
    »Du setzt mich vor die Tür?«
    »So wahr ich hier stehe. Auf Nimmerwiedersehen.«
    »Ist das dein letztes Wort?«
    »Ja. Wenn du wirklich ein Teil von Gott bist, wie du gesagt hast,
dann danke ihm in meinem Namen dafür, dass er meinen Glauben auf eine weitere
Probe gestellt hat.«
    Doch der Teufel machte keine Anstalten, die Stube zu verlassen. »Ich
hatte wirklich gehofft, ich könnte dich überzeugen«, sagte er beinahe
enttäuscht. »So lässt du mir keine Wahl, du eckiger, sturer Kopf. Was Worte
nicht erreicht haben, muss nun Gewalt erreichen.«
    »Was willst du tun?«, fragte Luther und schluckte.
    »Ich werde dich und dein Werk in Stücke zerreißen, du verstockter Ketzer.
Wie ich heute deinen Hasen in Stücke gerissen habe.«
    Gemächlich erhob sich der Höllenfürst, nickte Luther zu – und
verwandelte sich dann vor seinen Augen in ein Tier; in eine riesenhafte
Mischung aus Hund und Wolf mit krausem Fell und roten Augen. Er fletschte die
Zähne und setzte zum Sprung an.
    Luther zog das Tuch zur Seite, das auf dem Tisch nicht etwa Käse und
Brot verdeckt hatte, sondern eine geladene Armbrust, die sich Luther
vorausschauend von einem der Jäger geliehen hatte. Er war ungeübt im Gebrauch
der Waffe, aber der Höllenhund war so verblüfft vom
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