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Kommt Schnee

Kommt Schnee

Titel: Kommt Schnee
Autoren: Roger Aeschbacher
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dem als Geschäftsmann offenbar wenig Erfolg beschieden war.
    Baumer entging nicht, dass Yeremi, als er über seine Frau herzog, nicht verhärtete. Er hatte die Brauen nicht über der Nase zusammengezogen und öffnete diese sogar eine Spur weit. Auch seine Unterlippe wurde voller, wölbte sich nach vorn und ging nach unten. Seine linke Hand öffnete sich zugleich, als wolle er zu beten beginnen.
    »Ist kein Leben«, meinte Baumer. Er dachte an türkischen Kaffee. An das kleine Pfännchen, mit dem man das Pulver aufkocht.
    »Nein«, antwortete Ilmaz Yeremi und schüttelte den Kopf in Zeitlupe. Auf seinen Lippen stand nun ein bitteres Lächeln.
    »Wie heißt deine Frau?«
    »Fatima.« Der Befragte wurde weicher. Die Bitterkeit wich der Traurigkeit.
    »Und«, sagte Baumer mechanisch und wollte doch eigentlich nur wissen, ob man vielleicht einen Kaffee – oder so? Baumer schaute dem Garagisten nicht in die Augen, als er das sagte. Dann fragte er noch mal. »Keinen Ausweg gefunden?« Erneut war es mehr Feststellung als Frage. Baumer sagte auch das in milder Form. Eine Anklage war darin nicht wahrzunehmen. Er wollte den Türken nicht vor den Kopf stoßen, wollte doch nur einen Schluck richtig guten Kaffee trinken.
    Der Garagist schaute ins Leere. Dann plötzlich schürzte er die Lippen und mahlte mit dem Unterkiefer, sodass seine Kiefermuskeln deutlich hervortraten.
    »Nein. Ich ... ich ... es war …« Der Garagist riss am Knopf seiner schmuddeligen Krawatte, um sich mehr Luft zu verschaffen. Der Knoten war jedoch zu stark und löste sich nicht. Der ganze Oberkörper von Ilmaz Yeremi wurde von seiner eigenen Hand hin und her gezogen, als er versuchte, die Krawatte zu lockern.
    Seine Stimme lag einen deutlichen Schlag höher, als er sagte: »Es war ein Unfall. Ein Streit. Ich, ich ...« Dann warf er die Hände vors Gesicht und begann, hemmungslos zu heulen. Sein Körper zuckte unkontrolliert, als gingen Stromstöße durch ihn hindurch. Bei jedem Stoß sog Ilmaz Yeremi unbändig Luft ein, als müsste er ersticken.
    Baumers Kollegen standen an der Hebebühne und schauten erstaunt zu dem in sich zusammensinkenden Garagisten hinüber, der schluchzend sein ganzes Elend zu erzählen begann. Dann blickten sie Baumer tatsächlich ein wenig vorwurfsvoll an.
    Aus Yeremi brach es nun hervor, wie er einen Partner gesucht hatte, der sich an seiner Firma beteiligen sollte. Wie er diesen feinen Herrn – Acar Cetin – fand, der ihm versprach, Geld einzuschießen. »Ich bringe dir viele Kunden. Vertrau mir!«, hatte ihm Cetin gesagt. Wie dieser Herr aber seine Finger nicht rührte. Wie er stattdessen mit einer Hand in die Kasse seiner Garage langte. Mit der anderen griff er an den Hintern von Fatima. Yeremi erzählte, wie er Cetin zur Rede gestellt hatte. Wie dieser ihn nur auslachte.

    Verhöhnte.

    Der Türke erzählte, was ihm immer wieder durch den Kopf gegangen war: »Du willst meine Frau? Du kannst mein Auto in Fresse bekommen!« Wie er das Schwein gestern Abend vor der Garage überfuhr. Niemand sah ihn in dieser verlassenen Gegend. Wie er Cetin dann unter die Hebebühne schleifte, den Toyota herunterfallen ließ.
    Yeremi hatte die Geschichte zu Beginn mit brüchiger Stimme erzählt. Bei der Schilderung der Tat war sie fester geworden. Als er den Mord beschrieb, hatte er seine Hände vor die Brust gezogen. Sein Gesicht war verzerrt, seine Finger verkrampften sich. Die Sehnen spannten sich über die Knöchel und traten weiß hervor. Auf seiner linken Faust prangte der schwarze Nagel seines blutunterlaufenen Daumens.
    Baumer beachtete den Mörder schon nicht mehr. Die ganze Zeit über hatte er an Kaffee gedacht. Hier war nichts mehr zu holen, nichts mehr zu tun. Dem Mann würden Handschellen angelegt, er würde in das Untersuchungsgefängnis geführt werden.
    Baumer wollte aufstehen. Er stellte erstaunt fest, dass sein Körper schwer und unbeweglich war. Mühsam hob er sich auf die Füße. Seine Knochen wurden ihm bereits wieder schwere Last.

2
    Baumer war in die Innenstadt gegangen. Wie fast jeden Morgen kehrte er im ilcaffè ein, eine hübsche italienische Kaffeebar, die zwischen Barfüsserplatz und Hauptpost liegt. Dort nahm er jeweils seinen ersten Kaffee.
    Das ilcaffè war gut besucht. Viele junge Männer waren da. Adrett gekleidet. Die einen arbeitslos, die anderen arbeitsscheu. Alle tranken sie aus kleinen oder großen Tassen Kaffee. Espresso. Latte Macchiato. Doppio Espresso.
    Es war einfach zu erraten, wer arbeitslos war
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