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Kommt Schnee

Kommt Schnee

Titel: Kommt Schnee
Autoren: Roger Aeschbacher
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Lippenstift dick und fett verschmiert worden.
    »Bleu, blanc, rouge«, dachte Baumer und sah die Trikolore, die Fahne Frankreichs, vor sich.
    Dann fiel sein Blick auf die linke Schulter, die vom Körper des Toten abstrus abstand. Zwischen dieser Schulter und dem Kopf des Toten klaffte eine riesige Lücke, aus der heraus sich eine glitzernde Blutlache gebildet hatte. Jetzt tauchte die Albanerfahne vor Baumers innerem Auge auf. Jene blutrote Fahne, die sie auch hier in Basel geschwenkt hatten, als der Kosovo unabhängig wurde.
    Einige Haarsträhnen des Opfers waren in die Blutlache getaucht. Die schwarzen Haare im roten Blut glichen den Federn des Greifs auf der Fahne der Albaner. Aus der kreisrunden Lache lief an einer Stelle ein rotes Rinnsal heraus, das in einem dünnen Faden versiegte und endlich abbrach.
    Die gleichmäßig braunen Augen des Toten waren starr und ohne Glanz. Sie schauten die billig gemachte Weihnachtsbeleuchtung an, die von der hohen Decke herabhing. Kalte, bläulich leuchtende Gestänge aus Fiberglasstäben, die verzweifelt versuchten, Christbäume zu sein. Das Gesicht des Toten zeigte ungnädiges Erstaunen. Er schien sich zu fragen, wer wohl auf die Idee einer solch geschmacklosen Dekoration gekommen sein konnte.
    Baumer schaute auf und versuchte, sich einen Überblick zu verschaffen. Jenseits des Toten lagen Stühle, Besteck, Tassen auf dem Boden. Sie gehörten zum Bistro, das auf der Passerelle lag. Um die Szene herum standen nur sehr wenige Leute. Die Gäste des Bistros waren geflüchtet.
    Der Kommissar erkannte auf der anderen Seite drei Zivile. Sie standen in einigem Abstand und sicherten die Szene von der gegenüberliegenden Seite her ab. Ihre Jacken hatten sie abgeworfen. Man sah ihre leeren Pistolenhalfter. Die Polizisten hatten dicke emaillierte Metallplaketten an ihren Hosengürteln befestigt.

    New York Cops.

    Zwei der Männer hielten ihre 9mm-Pistolen im Anschlag. Einer von ihnen kniete in geringem Abstand zum anderen, den linken Ellenbogen auf dem Knie aufgestützt. Beide zielten auf das Bistro, dessen Inneres wegen einiger Werbereiter und einer brusthohen Abdeckung von außen nur bedingt einzusehen war. Beide trugen Bartstoppeln. Der Dritte war Rötheli, der Chef der Zivilen. Er war rasiert. Sein spitzes Kinn stach aus dem Gesicht heraus. »Ho, Baumer! Ho!«, rief er Baumer zu, um auf sich aufmerksam zu machen. Rötheli sprang herüber und trat an die Gruppe mit Baumer. Seine SIG-Sauer hielt er tief. Er sicherte sie und steckte sie ins Halfter zurück.
    Baumer sah Rötheli an. Dieser hatte, genau wie der Tote, seine Lippen wie ein Clown geschminkt.
    Rötheli legte sofort los: »Er ist im Bistro. Hat eine Geisel. Verdammt. Ein Höllensamuraischwert.«
    »Wer ist das?« Baumer zeigte auf den Toten.
    »Wahrscheinlich eine Zufallsbegegnung. Es gab einen Streit«, sagte der Zivile gepresst. »Nicht klar, warum. Der andere. Dreht durch. Zieht das Schwert und schlägt den hier nieder.«
    »Hast du Mund-zu-Mund-Beatmung gemacht?«, fragte Baumer.
    »Ja. War nix mehr zu machen.«
    Jetzt sah Baumer, dass Rötheli zusätzlich zu seinen Lippen auch auf der rechten Seite des Kopfes blutverschmiert war. Auch sein Haar war, wie das des Opfers, auf einer Seite des Kopfes strähnig verklebt. Rötheli hatte sich wohl mit der Hand in der Blutlache abgestützt, als er den Herzschlag des Opfers hören wollte. Danach musste er sich mit der Hand durch die Haare gefahren sein, nahm Baumer an. Auch Röthelis Ohr war rot getüncht. Irgendwie erinnerte Rötheli an einen Harlekin.
    »War nix mehr zu machen«, wiederholte Rötheli und strich sich durchs Haar, ohne dort neue Spuren zu hinterlassen, denn das Blut an seiner Hand war schon eingetrocknet. Der Chef der Zivilen holte tief Luft, seine knabenhaften Schultern hoben sich dabei und verengten sich noch mehr. Dann ließ er die Schultern fallen und atmete – seine Lippen waren zusammengepresst – in einem Stoß durch die Nase aus.
    Dann informierte er über die aktuelle Situation. Teilte Baumer in knappen Worten mit, dass sich der Täter im Bistro verschanzt habe und eine Geisel mit dem Schwert bedrohe. Er zeigte auf eine hintere Ecke im Bistro, wo man dieses seltsame Pärchen in der Tat erkennen konnte.
    »Wer ist die Geisel?«
    »Ein junges Mädchen. Bedienung. Blond.«
    »Wo sind sie?«
    Rötheli war klar, dass Baumer mit dieser Frage nicht die zwei im Bistro meinte, sondern sich auf die Basilisken bezog, eine spezielle Antiterroreinheit der Basler
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