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Kommt Schnee

Kommt Schnee

Titel: Kommt Schnee
Autoren: Roger Aeschbacher
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zu und wummerte ihm mit jedem zweiten Schritt ein heißes Stück Eisen in den Körper. In den Augen des Schützen loderten tausend Funken. Die Augen von Toni traten hingegen weiß hervor, ohne dass die Augäpfel zu sehen gewesen wären. Schwer zu sagen, ob sich noch Licht in ihnen spiegelte.
    Der Schütze zeigte mit seinem ausgestreckten Arm auf Toni wie ein Richter auf den Angeklagten. Der Revolver sprach das schwere Urteil. Von den Wänden hallten die Schüsse und wurden als Echo vielfach übereinandergeworfen. Es war ein Getöse, wie wenn in einem Gerichtssaal die Zuschauer das Todesurteil für einen Kinderschänder wild bejubeln.
    Vier Schüsse hatten den Mörder schon getroffen. Er war nach hinten an die Theke gefallen und S-förmig geknickt an die Bar gepresst. Die Fußstange hatte er im Kreuz. Seine Beine zuckten noch einmal. Ein Arm schlug unkontrolliert aus.
    Der Schütze war bereits bis auf zwei Meter an den Sterbenden herangetreten. Baumer sah, wie er stehen blieb und seine Hand am Revolvergriff mit seiner anderen Hand umfasste. Er öffnete sein linkes Augenlid. Draußen wurde geschrien. Baumer hörte jemanden – war es Heinzmann? – seinen Namen rufen. Der Businessmann in Grau kniff sein linkes Augenlid wieder zu, zielte mit dem rechten Auge über Kimme und Korn und drückte ab. Der Donner dieses letzten Schusses wurde an die Wände des Bistros geschlagen, brach sich mehrfach daran, wurde leiser und erstarb schließlich.
    »Waffe weg!«, schrie Baumer. Dann nochmals. »Legen Sie die Waffe weg!«
    Der Geschäftsmann sah auf den Toten. Musterte ihn. Dann bückte er sich und legte die Waffe auf den Boden.
    »Langsam Hände hochheben!« Baumer schrie auch das.
    Der Mann mit den krausen Haaren tat wie ihm befohlen. Heinzmann kam hereingerannt, ohne sich um seine eigene Sicherheit zu sorgen. Rötheli, Meier und all die anderen sprangen kurz darauf hinzu.
    Baumer merkte erst jetzt, dass das Mädchen vor ihm kniete. Es hatte sein Gesicht zwischen Baumers Oberschenkeln versenkt. Mit beiden Händen klammerte es sich an der Hose des Kommissars fest. Fast schien es die Lee herunterreißen zu wollen.
    Andreas Baumer fasste das Mädchen an den Schultern und stellte es auf die Beine. Ihr Gesicht war von Tränen überflutet. Die Puppenlippen waren zu einem harten Strich zusammengepresst.

3
    Es wurde ein langer Tag.
    Zuerst sicherten Rötheli und sein Team den Tatort. Baumer, das Mädchen und auch der Schütze mussten im Bistro bleiben. Endlich konnte Baumer veranlassen, dass ein Sanitätsoffizier das Mädchen ins Kantonsspital führte. Der Revolverheld wiederum durfte sich einen Schnaps gönnen und wurde in die Obhut eines Care-Teams gegeben.
    Windler, der Kommandant der Kriminalpolizei, war mittlerweile eingetroffen und setzte sich sofort in Szene. Jeder unbeteiligte Zuschauer hätte sofort erkannt, dass dieser Mann ein hoher Beamter sein musste, denn Windler trug immer die ausgesuchte Garderobe eines Gentlemans. Edle Lederschuhe. Anzug von Armani. Erlesener, offen getragener Mohair-Wintermantel. Um den Hals hatte der Kommandant einen ewig langen Seidenschal von Hermès gelegt. Windler war groß. Seine dichten Silberhaare, die fast einer Wolke gleich auf seinem Kopf thronten, verstärkten den Eindruck, dass hier eine machtvolle Person stand. In seinem Schlepptau führte der Polizeikommandant zwei Personen mit, offenkundig subalterne Beamte, die Windler folgten wie zwei Zerstörer einem Flugzeugträger.
    Aller Aufmerksamkeit gewahr legte Windler in lautem Ton los. »Schöne Sauerei.« Er rotierte die Schultern im Uhrzeigersinn, stellte zugleich provokativ das rechte Bein aus. »Böse Sache.« Die Hände hielt er in die Hüfte gestemmt, die Schöße seines Mantels hinter das Becken drückend. Sein Kopf drehte sich entlang der Polizisten. Seine Worte wurden immer lauter. Sie tönten wie plärrende Durchsagen aus einem in der Lautstärke überdrehten Lautsprecher am Bahnhof. »Höllendurcheinander.«
    Die Bemerkungen begannen, sich in Verwünschungen zu verwandeln, galten aber noch keiner speziellen Person. Windler redete sich wie so oft erst in Rage. Dann packte der Kommandant vollends den Chef aus und tobte.
    »Verdammt, Baumer, was haben Sie gemacht? Huere Mist!«

    Huere Mist.

    Das war einer seiner Lieblingsausdrücke. Mit diesen stinkenden Worten sprach er gern. Nur zu Untergebenen und natürlich nur, wenn keine wichtigen Leute es hätten hören können.
    »Spaziert einfach los. Verdammt«, sekundierte Rötheli
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