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Der Schattenbund 01 - Das Herz von Myrial

Der Schattenbund 01 - Das Herz von Myrial

Titel: Der Schattenbund 01 - Das Herz von Myrial
Autoren: Maggie Furey
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    Lederkleidung bei Regen ist einfach scheußlich. Sie wird steif, schimmelt und stinkt; dann braucht sie ewig, um zu trocknen, und so lange man sie trägt, klebt sie so feuchtkalt am Leib, als würde sich eine Wasserleiche an einen klammern. Abscheulicher Vergleich. Veldan erschauerte. Ihre lebhafte Fantasie war ihr schon immer ein Fluch gewesen. Mit einem Kopfschütteln rief sich die Hüterin des Wissens zur Ordnung und drängte die Vorstellung beiseite. Ich lasse mich von diesem düsteren Gebirge aus der Fassung bringen, ganz zu schweigen von dem verdammten Wetter. Regen, Regen und abermals Regen – es hat nicht ein einziges Mal aufgehört, seit wir in Callisiora sind.
    Gegen die Lederkleidung konnte sie nichts tun – die übrigen Kleider im Gepäck waren inzwischen genauso vollgesogen –, aber sie konnte wenigstens die Maske abnehmen. Schließlich gab es niemanden in dieser verlassenen Gegend, der ihr Gesicht hätte sehen können. Sie schob sich das schwarze kurze Haar aus dem Nacken und tastete nach den Silberschließen der schwarzen Seide. Die Maske löste sich wie eine zweite Haut. Veldan seufzte vor Erleichterung, als die frische Luft ihr Stirn und Wangen kühlte.
    »Wurde auch Zeit«, brummte ihr Partner. »Warte nur – eines Tages wirst du diesen blöden Lappen irgendwo liegen lassen, wo ich an ihn herankomme, und dann fresse ich das unglückselige Ding auf.« Kazairl drehte den Kopf zur Gänze herum und schaute seine Reiterin an. In seinen glänzenden Augen sah Veldan rot den Ärger auflodern.
    »Lass mich damit in Ruhe, Kaz«, bat sie seufzend. »Du verstehst das nicht – das ist eben Menschenart. Die Leute möchten mein entstelltes Gesicht nicht sehen, und ich wünsche meinerseits nicht, dass sie es sehen. Ich will ihren Abscheu nicht spüren – und auch nicht ihr Mitleid.«
    »Tschaaaa!«, schnaubte der Feuerdrache. »Sie sollen es nur wagen, dich zu bemitleiden, dann werde ich sie fressen. Du brauchst keinen lächerlichen Lumpen vor deinem Gesicht, Boss. Deine Narbe heilt gut – oder zumindest würde sie das, wenn mal Luft rankäme. Du siehst nicht annähernd so schlimm aus wie du glaubst. Außerdem fühle ich mich jedes Mal schuldig, wenn ich deine grässliche Maske sehe – und man muss schon mit einigem aufwarten, bis ein Feuerdrache sich schuldig fühlt. Wäre ich damals doch nur zur Stelle gewesen, dann stünde jetzt alles zum Besten.«
    »Kaz – nicht«, entgegnete Veldan heftig. Zu oft schon waren sie diese traurige Geschichte erneut durchlitten. »Wir Hüter des Wissens kennen die Gefahren unserer Arbeit, und ich kann die Schuld nur bei mir selbst suchen. Wenn ich damals die Beine in die Hand genommen hätte, wäre es niemals geschehen. Aber wie auch immer, nun ist es zu spät. Wir sollten unsere ganze Aufmerksamkeit dieser Reise zuwenden, nicht der Letzten, die so traurig endete.«
    »Dagegen hätte ich nichts, wenn diese Mission nur ein wenig besser verlaufen würde als die vorige«, meinte Kazairl säuerlich.
    »Da hast du Recht«, seufzte Veldan. »Unsere Pechsträhne lässt sich schlechter abschütteln als ein Floh aus einer Hafenspelunke.«
    Zusammen mit Aethon, dem Seher des Drachenvolkes, hatten sie die Schleierwand durchdrungen – die magische Barriere, die ein Reich vom anderen trennte. Das war über einen Monat her, und seitdem durchquerten sie das verregnete Callisiora. »Manchmal frage ich mich, ob wir es je bis nach Hause schaffen.«
    »Das sollten wir besser!«, schnaubte Kaz. »Ich werde hier keinen Augenblick länger bleiben als ich muss. Dieses Land ist ein schlechter Witz. Ich bin es sterbensleid, dauernd einem Haufen verbohrter, abergläubischer Menschen niedrigster Kulturstufe auszuweichen, die nicht wissen, dass die Schleierwand nicht der Rand der Welt ist, und nichts Besseres im Sinn haben, als unsere Welt Myrial mit einem allmächtigen Gott zu verwechseln, den sie sich selbst ausgedacht haben. Die meisten dieser Idioten würden nicht einmal den eigenen Augen trauen, wenn sie mich zu Gesicht bekämen. Sie würden glauben, ich sei ein Hirngespinst, während die Übrigen mich für ein heißhungriges Ungeheuer halten würden.«
    »Du bist ein heißhungriges Ungeheuer«, entgegnete Veldan trocken.
    »Mittlerweile schon«, stimmte der Feuerdrache verdrießlich zu. »Hier gibt’s nur Wasser von oben und von unten und herzlich wenig zu kauen.«
    Bei diesen Worten warf Veldan einen Blick auf ihren zweiten Reisegefährten, den Seher, den zu schützen und zu nähren
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