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Kommt Schnee

Kommt Schnee

Titel: Kommt Schnee
Autoren: Roger Aeschbacher
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gebräunter Haut und Knubbelnase entgangen, weil er niedrig saß und dicht hinter einer Werbebande positioniert war. Baumer drehte sich wieder um.
    »Mach ich mir halt selber einen Cappuccino.«
    »Kannst du das?«, fragte der Schlaksige.
    »Ja, willst du auch einen?«
    »Warum nicht.«
    Baumer ging durch die freigelassene Öffnung an der Bar hinter die Theke und begann, sich an der Kaffeemaschine zu schaffen zu machen.
    »Und du, Schatz. Willst du auch etwas?«, fragte der Schlaksige seine Geisel.
    Das Mädchen antwortete nicht.
    »Wie heißt du?«, fragte Baumer den Amokläufer beiläufig.
    »Toni. Und du?«
    Baumer antwortete nicht.
    »Magst du deinen Kaffee stark oder nimmst du lieber einen schwachen, Toni?«
    »Weiß nicht. Ich nehm ihn so wie du.«
    Baumer drückte auf die Taste, die zwei Espressotassen mit ausgefüllten Konturen zeigte. Die Maschine lief an. Kaffeebohnen wurden ins Mahlwerk gelassen. Eine kurze Pause folgte. Dann ruckte das Messer an und zersplitterte die Bohnen im Nu in Tausend Bruchstücke. Baumer stellte zwei Tassen unter die kleinen Ablaufhahnen der Maschine. Nach einem weiteren Moment und weiterem Gerumpel in der Maschine wurde heißes Wasser durch den gemahlenen Kaffee gepresst und frischer Kaffee lief als dünnes schwarzes Rinnsal aus den glänzenden Hahnen in die Tassen.
    Baumer griff ein 1-Liter-Alukännchen. Darin war noch genug Milch. »Kannst du Milch schäumen, Toni?«
    »Milch?«
    »Ja. Für den Cappuccino.«
    »Nein.«
    »Hhmm.«
    Das Mädchen räusperte sich. Der Bewaffnete drehte den Kopf zu ihr. Dann sprach das Mädchen mit erstaunlich fester, aber sehr leiser Stimme. »Ich kann Milch schäumen.«
    »Au fein. Du machst den Schaum. Gell, Schatz?«
    Baumer sah das Mädchen jetzt zum ersten Mal richtig an. Es war noch ein Kind. Sein Mund wirkte puppenhaft. Die zierlichen Lippen liefen mit rosarotem Schimmer aus. Die Nase war stupsig. Die Augen hatte das Mädchen kaum sichtbar und daher umso bezaubernder mit Make-up verziert. Winzige feuerrote Flecken lagen auf den Bäckchen.
    »Bitte, bitte. Mach uns ein schönes Schäumchen, ja«, bat Toni. Dann, zum Mann, der immer noch auf dem Heizer saß und seinen Koffer fest umklammerte: »Willst du auch einen Cappuccino?«
    Der Angesprochene räusperte sich und sagte: »Ja ... gerne.«
    Das Mädchen wollte aufstehen. Der Superstar hob sein Schwert aber nicht weg, sondern ließ es weiter auf der Schulter des Mädchens ruhen. So musste die junge Frau ihre zierliche Schulter und ihr Puppengesicht von der Klinge wegziehen, etwa so wie ein Kind seine Wange von der fordernden Hand einer ungeliebten Tante wegzieht.
    Das Mädchen entwand seinen Hals schließlich in Zeitlupe der Klinge und stand – zitterte es? – auf. Es schob sich, immer noch sehr langsam in der Bewegung, zu Baumer hin. Dieser hatte die Szene durch den großen Spiegel hinter der Kaffeemaschine beobachtet und sah, dass der Mörder seinen Arm ausgestreckt hatte und mit der flachen Seite der todbringenden Klinge immer noch den Oberarm des Mädchens berührte. So, als wolle der Täter eine zärtliche Umarmung nicht aufgeben, sie hinauszögern und sie bis zum Ende auskosten.
    Baumer schaute aus den Augenwinkeln nach draußen. »Wenn nur Rötheli jetzt keinen Mist baut«, ängstigte er sich. Es war noch viel zu gefährlich einzugreifen. So eine Klinge ist schärfer als eine Rasierklinge und macht deutlich tiefere Schnitte.
    Endlich war das Mädchen weit genug von dem Schwertmann weg.
    Zwei laute Klacks ertönten. Baumer dachte zuerst, sie wären von der Kaffeemaschine gekommen. Aber als er Tonis Blick zum Gast in der Ecke folgte, sah auch Baumer, dass der Geschäftsmann die Verschlüsse seines Aktenkoffers aufgespickt und den Deckel geöffnet hatte und hineinfasste. Toni hatte sich ganz zu ihm hingedreht und gab so das Mädchen vollends frei. Der Koffermann sprang auf seine Füße. In der Hand hatte er eine großkalibrige Pistole. Schnell ging er auf den Schlaksigen zu.
    »Was willst ...?«, kam es aus Toni erstaunt heraus.
    Der Revolver brüllte los und zerfetzte die letzten Worte des Samurais.
    Der erste Schuss traf Toni mitten in die Brust und warf ihn mächtig zurück. Mit seiner rechten Schulter stieß er an den Rücken des Mädchens, das nach vorn in Baumer hineinstolperte. Das Samuraischwert fiel dem Schlaksigen aus der Hand. Die Klinge schlug auf den Marmorboden. Ein einzelner orangefarbener Funke sprang vom Stein ab.
    Der Businessmann ging Schritt um Schritt weiter auf Toni
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