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Der unsichtbare Kreis

Der unsichtbare Kreis

Titel: Der unsichtbare Kreis
Autoren: Bernd Ulbrich
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Statue eines Königs
    Der Automat hinter dem Schreibtisch lächelte. Er war eine Weiterentwicklung des Typs Charm I, eigens für öffentliche Dienststellen entworfen.
    Hinter Grom schloß sich lautlos die Tür. Ihre Begrüßung war förmlich.
Grom fand den Ton korrekt.
»Der Senator läßt sich entschuldigen«, sagte der Charm II. Seine Stimme hatte einen angenehm dunklen Klang. Grom setzte sich.
»Whisky?«
»Mit Eis bitte.«
Der Whisky war alt. Grom trank, ohne sein Gegenüber zu beachten. Er gehörte nicht zu jenen Leuten, die Kyberneten zuprosteten.
    Der Charm sah ihm höflich lächelnd zu und wartete programmgemäß noch einen Augenblick, damit Grom den aromatischen Nachgeschmack genießen konnte.
Grom entspannte sich und blickte seinen Gesprächspartner erwartungsvoll an.
    »Ich vertrete den Senator«, sagte der Typ. »Ich bin mit allen Vollmachten ausgestattet.« In seiner Stimme schwang ein ehrerbietiger Unterton mit, als er fortfuhr: »Wir setzen unser Vertrauen in Sie, Meister.«
    Grom lächelte automatisch, um seine erwartungsvolle Spannung zu verbergen.
»Fünfzigtausend«, bemerkte der Kybernet, »Spesen extra.«
    Um Zeit zu gewinnen, zögerte Grom. Die Höhe des Honorars war fast peinlich.
Der Charm registrierte sein Mißtrauen. Er lächelte gewinnend. »Wir wissen Ihre Mitarbeit zu würdigen, Meister. Ihr Kurswert ist rapide im Steigen begriffen.«
Grom wurde ungeduldig. Er wehrte mit einer Bescheidenheit heischenden Geste ab.
»Jeder Mensch hat seinen Preis«, bemerkte der Charm bestimmt und fügte lächelnd hinzu: »Zitat, Sir Robert Walpole. Noch einen Whisky?«
Trotz seiner Spannung auf den Kern der Sache bemerkte Grom in jedem Wort, in jeder Geste des Charms eine wohltuend feine Hochachtung. Er sah Gespenster. Was sollte schon dahinterstecken? Das Angebot war nicht mehr als billig. Er war sicher, in jedem Fall eine ähnliche Summe genannt zu haben. Ein andeutungsweises Nicken begleitete seine Worte. »Worum handelt es sich?«
»Um Savatsky.«
»Savatsky.« Grom überlegte. »Savatsky? Der mit dem Hund?«
»Korrekt«, entgegnete der Automat.
    Ein ungutes Gefühl ließ Grom die Lippen aufeinanderpressen. Er beherrschte sein Gesicht. Worauf lief das hinaus? Die Geschichte hatte sich doch schnell abgelaufen wie jeder Kitsch, den sie im Tele-V aufbauschten. Weshalb sollte die Sache wieder hochgeholt werden? Doch – umsonst würden sie nicht soviel zahlen. Irgendwer hatte sich was dabei gedacht. Was, das konnte ihm letztlich egal sein. Beruhigt lehnte er sich zurück. Nichts vermochte schließlich die Wertschätzung seiner Person besser auszudrücken als die Höhe des Honorars.
    »Eigenartig«, bemerkte er, »seit einiger Zeit hört man nichts mehr von Savatsky. Die Geschichte bewegte die Gemüter. Lange Zeit war sie das Gesprächsthema.«
    »Das ist ja das Verblüffende«, erwiderte der Charm sorgenvoll. »Da rettet der Mann unter Einsatz seines Lebens einen schiffbrüchigen Hund. Es war wohl in der Nähe des Merkurs. Man hatte das Tier versehentlich in einem havarierten Schiff zurückgelassen.«
    Grom nickte. »Ich habe die Darstellung der dramatischen Rettungsaktion mit Anteilnahme verfolgt«, äußerte er zurückhaltend.
    »Verstehen Sie mich recht«, sagte der Typ. »da fliegt ein Mensch einhundert Jahre lang durch den Weltraum: Venus, Mars, Jupiter, Erde hin und her. Niemand nimmt von seiner Existenz Notiz. Nichts hebt ihn aus der Anonymität, kein Unfall, kein Skandal, keine Schmuggelaffäre. Doch mit einemmal kennt ihn die Welt.«
    »Bekannt«, sagte Grom und fügte betont sachlich hinzu: »Wenn ich mich recht entsinne, hat man sogar jüngst eine neuentdeckte Virusart nach ihm benannt.«
    »Unter anderem«, bestätigte der Automat. Seine Stimme hatte die Überlegenheit des Gesprächsleiters. »Es würde den Rahmen unseres Gesprächs sprengen, wollte man alle Ehrungen aufzählen, die ihm zuteil wurden.«
    Grom blickte aus dem Fenster und musterte teilnahmslos den Himmel; Automaten pflegten kein Verständnis für menschliche Gefühlsregungen aufzubringen. Savatsky war fotografiert worden und magnetgespeichert, Filmgesellschaften hatten sein Leben verewigt, ein bekannter Dramatiker schrieb eine heroische Tragödie über die Rettung des Hundes. Straßen waren nach Savatsky benannt worden. Nur eine Plastik von ihm gab es noch nicht. Er hätte nicht gewagt, daran zu denken.
    Nun gut, der Name Grom war seit der offiziellen Ehrung seines »Rosaroten Göttlichen« in aller Munde. Die Fachwelt zählte
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