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Der unsichtbare Kreis

Der unsichtbare Kreis

Titel: Der unsichtbare Kreis
Autoren: Bernd Ulbrich
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sich Savatsky an ihm vorbeidrängte, fragte er: »Womit sind Sie fertig, welches Ziel haben Sie übertroffen?«
Savatsky zog ihn an der Schulter neben sich her und knurrte: »Das geht dich einen Dreck an.«
In Savatskys Wohnzelle saßen sie sich gegenüber und schlürften den heißen Tee. Um ein Gespräch in Gang zu bringen, äußerte Grom ein Lob.
»Bist hier auf keiner Party«, erwiderte Savatsky schroff. »Trink oder laß es sein.« Er nahm einen Schluck, streckte wie ein Huhn den Kopf vor und ließ den aromatischen Sud genußvoll die Kehle hinunterrinnen. Grom hatte nie solchen Tee getrunken.
Savatsky beobachtete ihn, und ein verstecktes Lächeln überflog sein Gesicht.
»Also, was willst du von mir?«
»Ich bin Bildhauer.«
»Weiß ich! Und?«
»Ich bin beauftragt, eine Plastik von Ihnen anzufertigen.«
Savatsky feixte und prustete schließlich heraus. Er mußte seine Teetasse absetzen. Seine Heiterkeit verflog ebenso plötzlich, wie sie gekommen war. Nur in seinen Augen saß blanker Spott, als er fragte: »Und wer hat sich das ausgedacht?«
Grom nannte den Namen der Stadt. Er sagte entschuldigend: »Es ist immerhin Ihre Geburtsstadt.«
Savatskys Augen wurden kalt und böse. »Tatsächlich, da bin ich geboren«, sagte er. »Meine Mutter brachte mich auf einer Parkbank zur Welt, weil es in unserem Nest kein Spital für uns gab. Sie wollte zu Verwandten in der Stadt. Auf diese Weise wurde sie vor einhundertsechsundzwanzig Jahren meine Geburtsstadt.« Während er Tee nachgoß: »Jetzt brüsten sie sich dieses Zufalls.« Die Teekanne gab beim Aufsetzen ein hartes Geräusch.
Grom brachte es nicht fertig weiterzufragen. Er hätte noch ein paar interessante Einzelheiten gebrauchen können. Aber schließlich sagte er sich, was soll der alte Kram. Er scheint nicht gerne drüber zu sprechen. Aber es war nicht zu ändern, daß er den Namen der Stadt genannt hatte. Vor Savatskys Haß senkte er verlegen den Blick. Doch der wechselte das Thema. Als er fragte: »Und wieviel wollen sie dafür ausspukken?«, war seine Stimme neutral.
Grom nannte die Summe.
Savatsky nickte anerkennend, sagte aber nichts.
»Hören Sie«, Grom bemühte sich, freundlich zu sprechen, »ich bin nicht Millionen Meilen hinter Ihnen her in diese Einöde geflogen, um Tee zu trinken. Ich werde die Plastik machen.«
»Daraus wird nichts, mein Junge. Ich habe mich hierher verzogen, weil ich meine Ruhe haben wollte. Aber meine Ahnung! Henry, sagte ich mir, auch hier werden sie dich aufstöbern, wenn es darum geht, Energie zu machen.«
Grom blieb gelassen. Was wollte der Alte eigentlich? Die Welt seinem greisenhaften Starrsinn unterjochen? Einhundert Jahre hier draußen, ein paar kleine Unterbrechungen. Er hatte den Überblick verloren. Kein Wunder, er kannte das Leben auf der Erde nicht mehr, fand sich unter den Menschen nicht mehr zurecht. Herrgott, er war nicht der einzige, dem es so ging. Einsiedler, Kauz. Wenn alle, die sich nicht wohl fühlten, auf eine einsame Insel flüchten wollten, würde man eine Menge Inseln brauchen. Grom lächelte überlegen.
»Aber ich bin vorbereitet«, fuhr Savatsky sinnend fort. Er sprach leise wie im Selbstgespräch. »Es war ‘ne Spielerei, Hobby, bißchen phantastisch. Anfangs glaubte ich selbst nicht dran. Jetzt hab’ ich mein Ziel erreicht.« Er kicherte. »Dahin werdet ihr mir nicht folgen.« Sein Gesicht spannte sich, ein seltsamer Glanz trat in seine Augen. So, dachte Grom, sieht ein Mensch aus, der von einer Idee besessen ist, ein Fanatiker, der mit ihr groß wird oder untergeht.
»Ich werde es tun«, flüsterte Savatsky, »und für euch unerreichbar sein.«
Die letzten Worte ließen Grom unsicher werden. Es mußte doch etwas Ungewöhnliches sein, etwas Einmaliges vielleicht, etwas, worauf bisher kein Mensch gekommen war, kein normaler Mensch. Wer suchte schon die Einsamkeit? Savatsky hatte einen Tick. Er mußte ein Psychopath sein.
»Als Sie verschwunden waren«, äußerte Grom vorsichtig, »war man allgemein enttäuscht. Begreifen Sie, was es bedeutet, ein Idol zu werden in dieser selbstsüchtigen Zeit. Ihr Einsatz wegen dieses armen Hundes, Sie haben Ihr Leben…«
Savatskys meckerndes Gelächter unterbrach ihn. »Diese Idioten!« schrie er. »Natürlich, das haben sie daraus gemacht. Ich habe es vorausgesehen.« Seine Augen glänzten vor Freude. »Ich wollte nichts als das Wrack aufbringen, um es zu versilbern, das ist alles. Natürlich wollte ich nicht mit meiner Gesellschaft teilen, andererseits kann man so
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