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Der unsichtbare Kreis

Der unsichtbare Kreis

Titel: Der unsichtbare Kreis
Autoren: Bernd Ulbrich
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»Lassen Sie einem alten Mann seine Schwächen, mein Kind.«
»Aber ja!« rief Gonzales. »Wir werden die Zeitmaschine ausschalten. Sie kommen aus Ihrer Grube heraus. Dann versetzen Sie sich in die Vergangenheit und warnen sich selbst. Sie können Brooke zuvorkommen.« Seine Augen glänzten. »Das wäre Ihre Rettung.«
McLaugham wehrte ab. Eine eigenartige Heiterkeit begleitete die Geste. »Man kann die Zeit nicht betrügen, mein Freund.«
»Aber…«
»Die Zeitgrube ist ein permanent labiles System, das nur durch hohe Energiezufuhr aufrechterhalten wird. Vielleicht haben Sie einmal im Gebirge jene riesigen Steinkegel gesehen, die, mit der Spitze nach unten, nur durch einen schwachen Steg mit dem Fels verbunden sind. Die geringste Erschütterung würde sie umstürzen lassen. Dieser Steg hat in meinem Falle die Stärke eines Haares. Bricht die Zeitgrube zusammen, erlischt mein Schutzfeld. Ich durchlaufe in unfaßbar kurzer Zeit eine neue Ereignisellipse. Selbst wenn die Zeitgrube erst eine Sekunde bestünde, würde ich so weit in die Vergangenheit geschleudert, daß ich die Gegenwart nur in einem… äußerst desolaten Zustand wieder erreichte.« Er versteckte einen anderen Ausdruck hinter einem Grienen. »Und zwar fast zu dem gleichen Zeitpunkt, an dem ich sie verließe. Ich könnte mir beinahe selber die Hand reichen, wenn mein Gerippe da mitmachen würde.« Die Vorstellung schien ihn zu erheitern.
Sein leises Gelächter brach erst ab, als Lewis mit humorloser Stimme bemerkte: »Wenn ich recht verstehe, hätte die von Ihnen geplante Machination, zu deren Durchführung Sie eine zweite, lebende Person benötigen, Ihr augenblickliches Ableben zur Folge.«
»So ist es, mein Lieber.«
»Das wäre Mord.«
»Nennen Sie es Erlösung.«
»Ich kann mich damit nicht einverstanden erklären. Verstehen Sie, ich will Ihr Bestes.«
»Darum bitte ich Sie.«
»Es ist unverantwortlich von Ihnen, jemandem diese moralische Last aufzubürden.«
»Brauchen Sie noch immer eine Habeaskorpusakte?« fragte McLaugham spöttisch.
»Es geht nicht.« Lewis versuchte die Härte seiner Worte durch eine mitleidige Geste zu mildern.
Angst trat in die Augen des Alten. Seine Stimme klang heiser. »Ersparen Sie mir weitere qualvolle Jahre. Ich flehe Sie an. Seit Jahrhunderten suche ich nach einem Menschen, der genug Mut und Phantasie aufbringt, mein Schicksal zu begreifen. Nun wollen Sie es ungeschehen machen. Das können Sie nicht tun.«
»Es ist nicht nur das Gesetz, das mich so handeln läßt«, sagte Lewis. »Wir haben Verantwortung füreinander. Auch für Sie. Ihr Problem muß vor einem höchsten Gremium entschieden werden.«
Der Alte richtete sich trotzig auf. »Was wollen Sie? Das sind prinzipielle Erwägungen.« Ein leiser, enttäuschter Ton klang aus den Worten. »Ich gehöre einer anderen Zeit an. Kein Gesetz Ihrer Gesellschaft sieht meinen Fall vor. Sie brauchen sich auf nichts zu berufen, kein Paragraph wird dafür oder dagegen sprechen.«
»Es gibt ungeschriebene Gesetze.«
»Ewige«, antwortete McLaugham spöttisch. »Nein.« Er schüttelte heftig den Kopf. »Sie sind ganz auf sich gestellt. Sie brauchen nur zwei Eigenschaften: Mitgefühl und Handlungsfreiheit. Jeden Einwand betrachte ich als Feigheit. Seit vierhundert Jahren bin ich von jeder menschlichen Bindung ausgeschlossen. Ich konnte nur hoffen, daß die Menschheit weiterkommen wird, um den hervorzubringen, der so frei und so mutig ist, mein Schicksal nach meinem Willen zu vollenden.«
»Ich tue es.« Sophia hatte leise gesprochen, doch die eindringliche Schärfe machte ihre Worte unüberhörbar.
»Gonzales! Auch du bist dafür?« Lewis blickte in die Gesichter der Freunde.
Randaik konnte die Spannung nicht länger ertragen. Er hatte das Gefühl, der Bogen müßte jeden Augenblick zerbrechen. »Ich glaube, es ist besser so! Ich habe nie von einem grausameren Geschick gehört. Es wäre unmenschlich, es zu verlängern. Tut mir leid, Lewis. Ich bin dafür!«
Entschlossen erhob sich Lewis. Der innere Widerstreit ließ sein Gesicht zerfurcht erscheinen.
Mit einer Behendigkeit, die niemand dem Zweizentnermann zugetraut hätte, war Volmar aus seinem Sessel. »Wo willst du hin?«
»Ich werde die Grünen Kyberneten verständigen.«
»Lassen Sie ihn«, sagte der Alte. »Er kann nicht hinaus.«
Lewis ließ sich wieder in den Sessel fallen. »Ach ja«, bemerkte er, »ich vergaß: Wir sind in Ihrer Gewalt. Welch unfreundliche Geste gegenüber Menschen, die Ihnen helfen wollen.« Er faltete die
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