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Der unsichtbare Kreis

Der unsichtbare Kreis

Titel: Der unsichtbare Kreis
Autoren: Bernd Ulbrich
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Amokläufer zwischen Möglichkeit und Wollen hin und her. Er hatte niemanden, dem er sich anvertrauen mochte.
Tagelang blieb er in seiner Wohnung. Er aß wenig, rasierte sich nicht und verfiel zusehends. Das Telefon ließ er abstellen und beauftragte seinen Kyberneten, ihn bei Besuchern zu verleugnen. Zwischen aller Verzweiflung wurde ihm bewußt, daß er den Heimkyberneten wohl falsch erzogen haben mußte. Statt, wie es dessen programmierte Pflicht gewesen wäre, ihm mit Trost und Unterstützung zur Seite zu stehen, sparte der nicht mit hämischen Anspielungen. Mitunter rezitierte er halblaut beim Servieren selbstverfertigte Reime auf das tragische Geschick seines Herrn.
Die häusliche Atmosphäre wurde unerträglich, und als Grom eines Tages auf die Offerte eines Aufkäufers von gebrauchten Kyberneten stieß, gab er den perfiden Automaten kurzerhand in Zahlung. Umgehend bestellte er bei einer seriösen Firma das letzte Modell der Kollektion.
Der Neue war freundlich, geistig rege und flink. Durch keinerlei Umwelteinflüsse geschädigt, bot er seinem neuen Besitzer, ohne zu zögern, seine selbstlose Hilfe an. Das bestimmte Auftreten des Neuen ließ Grom Hoffnung schöpfen. Er willigte sofort ein, als sich der A-II-Y-Typ drei Tage Urlaub ausbat, um, wie er betonte, Nachforschungen anzustellen. Zwei Nächte schlief Grom ausgezeichnet. Lediglich in der dritten ließ ihn eine begreifliche Unruhe bereits beim Morgengrauen erwachen.
Gegen zehn Uhr erschien sein selbständiger A-II-Y-Typ und teilte ihm mit, er habe Savatskys Aufenthaltsort ausfindig gemacht und sei, gegen eine Barzahlung von dreitausend Energieeinheiten, bereit, ihn preiszugeben. Nur eine Sekunde lang war Grom von der schnellen Umweltanpassung des neuen Modells beeindruckt. Zum Letzten entschlossen, eilte er zu einem benachbarten Kunstkritiker und lieh sich von ihm den erforderlichen Betrag.
Die folgende Woche verging mit hektischen Startvorbereitungen. Grom flog nach Ägypten, um selber den Granitblock auszuwählen. Über das gewohnte Maß hinaus waren Formalitäten zu erledigen, da man es Privatpersonen nur in Ausnahmefällen gestattete, in den Asteroidengürtel zu fliegen. Schließlich gelang es Grom, mit dem Hinweis auf seinen Auftrag die letzten Schranken zu überwinden.
    An einem sonnigen Morgen startete er von einem weit außerhalb der Stadt liegenden Flugfeld. Langsam und lautlos stieg das Raumschiff auf. Hyperstarke Gravitationsfelder geleiteten es unfehlbar auf seinen Weg.
    Grom meldete sich bei der Mondstation und erhielt die Bestätigung. Er orientierte den Autopiloten und überprüfte die Kopplung mit der Station – notwendige kleine Handgriffe, die den Übergang zum automatischen Flug begleiteten. In einer Entfernung von achtzehntausend Kilometern passierte er den Mond. Von jetzt an konnte er das Schiff sich selbst überlassen.
    Am nächsten Tag sah er die Skizzen und Entwürfe durch. Noch hatte er sich nicht endgültig entschieden, ob er die Plastik hyperdynamisch programmieren sollte, denn es schien fast unmöglich zu sein, mit dem Variantenprogramm Savatskys Opfermut, seinen Eingriff in schicksalsbestimmtes Geschehen, auszudrücken. Überhaupt erschien ihm jegliche Motorik unter diesem Aspekt nicht expressiv genug. Indem er in der schweigenden Unendlichkeit ein Lebewesen rettete, hatte Savatsky in die Struktur des Universums eingegriffen; diese Tat erforderte in der Darstellung Ruhe, eine absolute Ruhe.
    Grom ging alle Möglichkeiten der Hyperdynamik durch. Was erwarten seine Anhänger von ihm? Eine Steigerung! Hyperdynamik war nicht mehr zu steigern. Sie war Vollendung in sich. Der »Rosarote Göttliche«, der seinen Namen zu einem Begriff gemacht hatte, war seiner künstlerischen Auseinandersetzung mit dem Hyperdynamismus höchster Ausdruck. Jetzt mußte etwas Neues kommen.
    Man hatte ihn genial genannt, als die Hohe Akademie das Werk ankaufte. Die Kugel des »Göttlichen« war unbestritten eine Arbeit, deren Programmierung ihm meisterhaft gelungen war. Sogar auf den Bildschirmen der südlichsten Hemisphäre zeigte man sie: eine riesige rosa Geschwulst, deren pulsierende Masse klassisch schöne Formen gebar, Köpfe, Gliedmaßen, Torsi, die sich in ekstatischer Verzückung gegenseitig verschlangen, um von neuem aus dem Innern der Urzelle zu quellen: Genie des Universums, die Schöpfung schlechthin, kunstvoller Organismus, von Menschenhand geschaffen. Mit diesem Werk hatte er die letzte Fessel des Zweckförmlichen gesprengt.
    Grom erhob
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