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Kommt Schnee

Kommt Schnee

Titel: Kommt Schnee
Autoren: Roger Aeschbacher
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seinem Chef und starrte Baumer auch ebenso an. Er war froh, dass das Gift auf Baumer spritzte, und wollte alles tun, damit das so bliebe.
    »Zwei Tote quasi unter meinen Augen?«, ignorierte der 58-jährige Windler den Chef der Zivilen und reckte seinen Arm hoch. »Wie steht meine Polizei jetzt da«, tönte der Kommandant der Basler Kriminalpolizei auf einmal wehleidig. Er verwirbelte dabei seine Hände hilflos in den Raum hinein wie ein Jongleur, dem die Kugeln entgleiten. Sein Gesicht, das in den letzten Jahren immer ausgemergelter worden war, blies sich im Zorn auf. Jetzt war es kreisrund, zeigte Hass. »Ich will wissen, wie alles genau ablief. Sekunde für Sekunde. Huere Mist!«, zeterte Windler und hörte lange nicht auf. Für die Anwesenden gab es nichts zu tun, als möglichst den Kopf einzuziehen und den Boden anzustarren.
    Nur Heinzmann hielt den Blick von Windler aus. Als der auf ihn zuging und ihn anmachen wollte, schaute ihm Heinzmann in die Augen. Es war keine Anklage drin. Heinzmann knickte nicht ein, sondern hielt seinen Kopf gerade, blickte den Chef der Kriminalpolizei an wie ein Pilot auf einem langweiligen Flug die Instrumente abliest.
    Endlich bekam sich Windler wieder in den Griff. Er rief die zwei Mitarbeiter seines Stabes, die ihm immer zur Seite standen. An diese gab er Anweisungen, wie weiter zu verfahren sei. Es müsse genauestens festzuhalten sein, was hier vorgegangen sei. Baumer und Rötheli seien penibel zu befragen.
    Also wurden Baumer und der Chef der Zivilen in den Spiegelhof zur Vernehmung gebracht. Dort wurden sie behandelt, als wären sie gewöhnliche Verbrecher. Windler hatte von seinem Baselbieter Kollegen, Traugott Buser, Unterstützung angefordert. Der hatte einen Staatsanwalt geschickt, der bei der Vernehmung zugegen war. Ein offizielles Mandat hatte der Staatsanwalt natürlich nicht, die Kantone würden sich nicht gegenseitig in die Oberhoheit der Polizeiarbeit hineinfunken. Ein kleiner Freundschaftsdienst zwischen zwei Nachbarkantonen war aber immer möglich.
    Rötheli dachte, dass sein Chef Windler ein guter Chef sei, der seinen Leuten hilft. Baumer dachte das nicht. Er wusste, dass Windler mit dieser Maßnahme weder ihm noch Rötheli alle mögliche Unterstützung zukommen lassen wollte. Windler kümmerte sich nur um sich selbst. Unterstützte ihn der Staatsanwalt mit guten Tipps, sodass die Polizei aus der Schusslinie kam, war es gut. Nützte er nicht, würde er ihn kurzerhand abservieren. Vielleicht würde er ihm noch eine gute Heimreise wünschen. Danke. Adieu.
    Ohne Gnade musste Baumer stundenlang in einem tristen Vernehmungsraum hocken und wurde von zwei diensteifrigen Beamten des Kommandostabs von vorn nach hinten über den Ablauf der Schießerei ausgefragt.
    »Wann kam der Alarm?«
    »Wo standen Sie beim ersten Schuss?«
    »Was sagte Toni, als der Schütze auf ihn zuging?«
    Der Kommissar musste getrennt von Rötheli Auskunft geben. Manchmal wurde Rötheli zu ihm ins Zimmer 2.07 geführt. Einmal wurde Baumer dann gefragt: »Leutnant Rötheli sagt, er wollte Sie aufhalten, aber Sie hätten sich seiner Anweisung widersetzt? Stimmt das?«
    »Ja«, bestätigt Baumer und kochte innerlich. Er musterte Beat Rötheli verächtlich.
    Am frühen Abend gab es nichts Neues mehr zu fragen. Windler wurde benachrichtigt und erschien erneut. Er hatte sich zuvor nur sporadisch für die Befragung interessiert, die in informeller Absprache mit dem Baselbieter Staatsanwalt durchgeführt wurde, und äußerst spärlich daran teilgenommen. Alle Beteiligten wurden nun im selben Raum versammelt. Windler stellte sich breitbeinig hin, hob das Kinn zur Decke. »Ich will, dass alles, was hier gesagt wurde, jetzt sauber protokolliert wird«, sprach er in die Luft, scheinbar durch die Decke hindurch Flugzeuge beobachtend, die im Himmel flogen.
    Das bedeutete weitere drei Stunden, in denen Baumer präsent sein musste. Das Steno musste zuerst abgetippt werden, bevor er es unterschreiben können würde. Baumer drehte sich mit bereits halbsteifem Kreuz und blickte hinter sich. Die von Windler angesprochene Stenotypistin war ein Häufchen Elend. Sie blickte mit leeren Augen, die erzählten, dass ihr Bescheid zur baldigen Pensionierung vor Jahren verloren gegangen war. Baumer erinnerte sich an den Namen der Frau. Madame La Roselle. Er war erstaunt zu sehen, wie weit ein lebendiger Mensch versteinern kann.
    »Ich will das Protokoll morgen um sechs auf meinem Tisch«, verlangte Windler von der ledigen Frau
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