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Komm zu mir, Schwester!

Komm zu mir, Schwester!

Titel: Komm zu mir, Schwester!
Autoren: Lois Duncan
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wurde zur rechten Zeit den richtigen Leuten vorgelegt.«
    Â»Manchmal habe ich fast Schuldgefühle«, sagte Mom. »Weil ich so viel habe, wo es doch Leute gibt, die so wenig haben. Ich meine damit nicht nur, dass wir Cliff House haben, sondern auch Berufe, die wir mögen, und wir haben uns – und gesunde, wunderschöne Kinder und so wenig Probleme. An dem Tag, an dem Laurie und ich nach Helens Unfall im Krankenhaus waren, habe ich immer gedacht: Lieber Gott, wenn das nun einem von unseren Kindern passiert wäre … Nach diesem schrecklichen Sturz auf den Felsen war Laurie kaum verletzt. Es war der arme Jeff, der sich das Bein gebrochen hatte.«
    Â»Ja, der arme Jeff, das kann man wohl sagen«, meinte Dad. »Der Junge hat sein Päckchen zu tragen. Wie läuft das jetzt mit seinem Gesicht, Laurie? Kann man da was machen? Mit plastischer Chirurgie lässt sich doch vieles korrigieren. Neulich habe ich in einer Zeitschrift was über ein Mädchen gelesen, dessen ganzes Gesicht bei einem Autounfall zerstört worden ist – und sie haben es wieder rekonstruieren können.«
    Â»Keine Ahnung«, sagte Lia ohne großes Interesse. »Vielleicht kann sich sein Vater das nicht leisten.«
    Â»Was!«, rief Dad. »Pete Rankin lässt es zwar nicht krachen, aber dieses Grundstück am Wasser hat seinen Wert verdreifacht, seit er es gekauft hat.«
    Â»Seine Freundin will ihn nicht verkaufen lassen«, sagte Meg.
    Mom drehte sich erstaunt zu ihr um.
    Â»Wo in aller Welt hast du das her?«
    Â»Von Mrs DeWitt. Dienstags macht sie bei Mrs Briggs sauber. Ich hab gehört, wie sie mit ihrer Schwester auf dem Festland telefoniert hat, die in denselben Frisörsalon geht wie die Freundin von Mr Rankin.«
    Â»Du saugst Informationen auf wie ein Staubsauger«, sagte Mom. »Gibt es irgendwas über irgendwen, das du nicht weißt?«
    Â»Ich weiß nicht, warum Laurie helles Fleisch isst«, sagte Meg.
    Einen Moment herrschte Schweigen. Die Gabel des Mädchens am Ende des Tisches blieb auf halbem Weg zum Mund in der Luft hängen. Dann legte sie sie auf ihren Teller. Im schwachen Schein der flackernden Kerzen konnte ich den Ausdruck in ihren Augen nicht deuten, aber als sie anfing zu reden, klang ihre Stimme gepresst.
    Â»Gibt es ein Gesetz, in dem festgelegt ist, dass ich dunkles Fleisch essen muss?«
    Â»Nein«, sagte Meg, »du tust es aber immer.«
    Â»Manchmal verändert sich der Geschmack.«
    Â»Ich freu mich, wenn du keine Keulen mehr magst«, sagte Neal. »Krieg ich die zweite, wo Laurie sie nicht haben will?«
    Â»Erst isst du deinen Salat auf.« Mom wandte sich wieder Dad zu. »Wo wir gerade bei Gesetzen sind … gibt es nicht eines, das Eltern dazu verpflichtet, für ihre Kinder zu sorgen, selbst wenn sie dazu ihre Investitionen veräußern müssen?«
    Â»Eltern müssen ihre Kinder unterstützen«, sagte Dad. »Aber ich glaube nicht, dass plastische Chirurgie dazu zählt. Abgesehen davon ist der Junge zu alt, um noch unter diese Regelung zu fallen. Wie alt ist er, Laurie? Achtzehn? Neunzehn vielleicht?«
    Â»Weiß ich nicht.«
    Â»Weißt du wohl«, sagte Megan. »Im April wird er neunzehn. Hast du mir letzte Woche erzählt.«
    Lias Gesicht blieb ohne Regung, aber ich spürte, wie sich dahinter etwas aufbaute … unbändige Wut, die sich gegen Megan richtete, sie war wie eine Schlange vor dem Angriff. Jetzt war es an mir zu rufen: Pass auf! Du weißt ja gar nicht, in welcher Gefahr du bist!
    Meg konnte mich nicht gehört haben, aber sie verstummte.
    Unsere Eltern waren noch immer beim Thema Rankin.
    Â»Wenn Jeff über achtzehn ist, kann man Pete nicht zwingen, irgendwas zu unternehmen«, sagte Dad. »Aber warum sollte man einen Vater zu so etwas zwingen müssen? Wie setzt der Mann denn seine Prioritäten? Dein Kind ist dein Kind, egal, wie alt es ist. Das Gesicht dieses Jungen sollte wichtiger sein als irgendeine Frau. Ich weiß nicht, was so eine Operation kostet, aber ich kann mir nicht vorstellen, dass man nicht irgendwie …«
    Lia aß nicht mehr. Sie saß einfach da und schaute Megan an. Meg nagte an einem Hähnchenflügel. Sie schien zu versuchen, irgendwie Ordnung in ihre Gedanken zu bringen. Nach einer Weile schaute sie hoch und sah Lia in die Augen. Sie sagte nichts. Sie nagte einfach weiter an diesem Knochen, während unsere Eltern auf
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