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Komm zu mir, Schwester!

Komm zu mir, Schwester!

Titel: Komm zu mir, Schwester!
Autoren: Lois Duncan
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hatte, wie ein Mädchen zusammengesackt im Sattel saß, während ein anderes durch die Luft auf sie zugesaust kam. Und dann ist sie gestürzt.«
    Â»Das muss ein Druckfehler gewesen sein.«
    Â»Oder das Mädchen hatte Wahnvorstellungen. Wie auch immer, Lia ist nach Hause geritten, als ob nichts passiert wäre. Mrs Abbott hat sie weisgemacht, Katherine habe beschlossen, noch länger draußen zu bleiben und zu einer der höher gelegenen Weiden hinaufzureiten. Als sie zur Essenszeit noch nicht wieder zurück war, hat ihr Vater Lias Pferd genommen und sie gesucht. Er war derjenige, der sie gefunden hat.«
    Â»Der arme Mann!« Die junge Schwester schauderte. »Hast du nicht gesagt, dass das Pferd auf ihr lag?«
    Â»Und das Mädchen war immer noch bei Bewusstsein! Die Chancen für so was stehen eins zu einer Million. Die Hufspuren auf dem Pfad untermauerten ihre Geschichte. Und bei der Gerichtsverhandlung kamen noch andere Sache heraus, wirklich seltsame, aber der Richter sagte, sie seien ohne Belang. Lia hatte schon in anderen Familien gelebt, in denen die Leute Unfälle hatten. In einer war es ein Baby gewesen, das in seinem Bettchen erstickt war, und in einer anderen ein kleiner Junge …«
    Ich konnte nicht länger zuhören.
    Die Teile fügten sich zusammen. Noch war das Bild nicht vollständig, aber die grauenhafte Skizze lag schon vollständig vor. Das hier war eine psychiatrische Klinik, und das Mädchen auf dem Bett – meine Schwester Lia – war eine Insassin. Nur physisch allerdings, denn ihr Geist selbst konnte nicht eingesperrt werden. Morgens traf sie sich pflichtgemäß mit ihrem Arzt und nahm an den Aktivitäten teil, die man ihr verschrieben hatte, aber nachmittags und abends …
    Als wäre sie im Koma … Hast du mal versucht, sie zu wecken, wenn sie so weggetreten ist?
    Nein, selbstverständlich konnte sie nicht geweckt werden. Sie schlief ja nicht, sie war gar nicht da!
    Der Körper in dem Zimmer, das ich eben aufgesucht hatte, war nur eine leere Hülle. Lia, die echte Lia war ganz woanders. Vielleicht war sie jetzt in diesem Augenblick sogar auf Brighton Island und spazierte in den Dünen herum. Vielleicht stand sie auf den Felsen vor Cliff House und schaute hinaus auf die wilde Schönheit der tobenden See. Oder vielleicht hatte sie Cliff House betreten? Betreten? Sie war dort eingedrungen! Mit welchem Recht kam sie ungebeten in mein Haus? Nach dem, was ich eben gehört hatte, war es ihr gelungen, ihr Leben auf schreckliche Weise zu verpfuschen. Gott allein mochte wissen, was sie zu dem getrieben hatte, was sie getan hatte, das war nicht mein Problem. Ich war nicht für Lia verantwortlich. Ich hatte mein eigenes Leben. Und das drehte sich um meine Eltern – die Eltern, die mich aufgezogen hatten – meinen Bruder Neal und meine Schwester Megan …
    Megan!
    Ein kalter Schauer erfasste mich plötzlich, als ich an Megan dachte. Bis heute war mir nicht klar gewesen, wie einfühlsam meine kleine Schwester war. Sie hatte nicht nur das Konzept des Astralreisens akzeptiert, sondern auch Lia als das Gespenst identifiziert, das bei uns zu Hause herumspukte.
    Ob Megan für Lia wohl eine Bedrohung war? Könnte sie überhaupt als Bedrohung gelten? Es war schwer, sich jemanden mit Lias Kräften vorzustellen, der sich von einer Achtjährigen bedroht fühlen könnte. Was könnte Megan ihr schon tun? Was könnte ihr überhaupt irgendjemand tun? Lia hatte mit Sicherheit von keinem von uns etwas zu befürchten.
    Und doch blieb es bei der Tatsache, dass die beiden einzigen anderen Menschen, die mein Wissen über Lia geteilt hatten, beinahe tödliche Unfälle erlitten hatten. Und Kathy Abbott … was war mit der? Lia war gefährlich, viel gefährlicher, als ich mir je hatte vorstellen können! Und wenn sie verrückt war, wie konnte ich dann erwarten, dass ihre Angriffe irgendeiner Logik folgten?
    Sie kann Megan nichts antun!
    Die Worte waren ein stiller Schrei in mir. Die Schnur spannte sich und ich flog wieder zurück nach Cliff House.
    Sobald die vertrauten Wände wieder um mich herum waren, merkte ich, dass meine Panik unbegründet gewesen war. Ich schwebte über dem Wohnzimmer. Die Familie saß dort zusammen, ganz sicher, mampfte Erdnussbutterbrote und spielte Scrabble. Mom hatte sich wieder eingekriegt. Sie lachte sogar über irgendeinen albernen kleinen Kalauer
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