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Komm wieder zurück: Roman

Komm wieder zurück: Roman

Titel: Komm wieder zurück: Roman
Autoren: Deborah Reed
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Schnee fiel.

ZWEIUNDDREISSIG
    Bill kehrt mit einer Gibson zurück. Frank mit seiner Fiedel. Er dimmt das bereits gedämpfte Licht noch mehr und knipst eine einzige Lampe über der Bühne an. »Hier ist eine hübsche junge Dame, die Lust hat, etwas für uns zu singen«, sagt er ins Mikro.
    Es wird still im Raum, als Annie auf die Bühne springt. Die Musikbox verstummt, und Annie ist nahe genug am Kamin, um zu hören, wie das Brennholz hinter dem rußigen Ofenschirm knackt. Seit Monaten hat sie keine einzige Note mehr gespielt, und hier ist sie jetzt drauf und dran, sich vor all den guten Leuten zum Affen zu machen, die noch kurz zuvor in Feierlaune waren, jetzt aber auf ihren Stühlen hin und her rücken und auf etwas warten, das gefälligst gut zu sein hat.
    Dann wird mit einem lauten Knall alles schwarz. Stimmengemurmel in einem Gemisch aus Stöhnen und Juchzern. Vom Kamin kommt das einzige Licht im Raum. Lange Schattenköpfe recken sich zur Decke, wo anscheinend jeder nach dem fehlenden Licht sucht. Einen Augenblick hört man nur das Knacken und Knistern von brennendem Holz.
    Annie rührt sich nicht. Die Bühne ist dunkel, und sie ist sicher, dass sie stolpern und hinfallen wird.
    »Nur keine Panik, Leute«, sagt Frank und tastet sich schnell durch den Raum. »Das ist nur ein Stromausfall wegen des Sturms.«Andere folgen seinem Beispiel, und schon bald flackern ein Dutzend oder noch mehr Kerzen auf den Tischen. Taschenlampen aus den Kofferräumen der Wagen werfen Strahlen auf Teller mit halb gegessenen Mahlzeiten und auf leere Biergläser.
    Annie wartet auf ihrem Hocker, ohne zu wissen, was sie tun soll.
    Wie ein Gespenst aus dem neunzehnten Jahrhundert bahnt sich Frank mit einer Petroleumlampe einen Weg durch die Menge. Er stellt sie auf die Bühne in die Nähe von Annies Füßen. Sein Zahnlückenlächeln, das vom Schein unter dem Kinn erhellt wird, wirkt sowohl gespenstisch als auch saukomisch.
    »Sind Sie bereit?«, fragt er.
    »Zum Singen?«
    »Nein. Zum Schneeschippen. Natürlich zum Singen.«
    »Es kann sofort losgehen«, sagt sie, überzeugt, dass sie sich gleich blamieren wird.
    Sie braucht eine Weile, um Bills Gitarre zu stimmen, was ein paar Leute zu Witzen animiert. Angeblich singt er so schief, dass die Gitarre eigentlich richtig gestimmt ist.
    Es hat aufgehört zu schneien, und der Mond ist aufgegangen. Aus dem Augenwinkel sieht sie eine saubere, glitzernde Schneewehe auf der Terrasse.
    Das Feuer wird schwächer, und eine junge Frau mit Küchenschürze lässt noch einen Scheit auf das Holzkohlenfeuer fallen. Glühende Kohlen schwelen in der Asche und steigen als Rauch durch den Schornstein, und das Feuer lodert wieder auf.
    Annie kommt sich wie ein Kind vor, das auf einer Schaukel hochfliegt. Sie saugt sich die Lunge voll und reckt das Kinn mit einem letzten Blick auf die flackernden Kerzen, und plötzlich ertönt ihre Stimme tief aus ihrer Brust.
    Sie singt über den dunkelnden Abendhimmel, und ihre Stimme ist warm und voll und größer als das Zimmer. Sie singt über ein Kribbeln in ihren Knochen.
    Als Frank den Bogen über die Geige streicht, weint sie beinahe über den Klang. Ihre Stimme macht wie von selbst weiter, ihr Kopf ist so groß und leer wie der frühlingsblaue Himmel.
    »
He woke up and she was gone
«, singt sie. »
He didn’t see nothing but the dawn. He got out of bed and put his clothes back on, and pushed back the blind, found a note she’d left behind, to which he just could not relate, all about a simple twist of fate.
«
    Erst am Ende, als sich das Publikum im fast dunklen Saal erhebt und ihr applaudiert, begreift sie endlich, was gerade geschehen ist, in seiner ganzen Tragweite. Breit grinsend klopft ihr Frank auf den Rücken und lehnt sich an sie.
    »Haben Sie noch einen auf Lager?«, fragt er, und sie sagt Ja, sie glaube schon.

DREIUNDDREISSIG
    Owen sieht sich ein letztes Mal in der Küche um. Er sucht etwas zu essen. Plötzlich verspürt er einen Mordshunger. Wahllos stopft er alles in sich hinein wie ein Teenager, zuerst einen Blaubeermuffin, dann eine Banane, ein Glas Saft, dann noch einen Muffin, wobei er gleichzeitig Rührei zubereitet; und während er mit den Airlines telefoniert, schiebt er sich das Ei mit einer Scheibe gebuttertem Toast in den Mund.
    »Mal sehen«, sagt die Frau. »Es sieht nicht gut aus.«
    Einerlei, er fühlt sich leicht und luftig, als hätte ihn das Ei in ein Soufflé verwandelt, selbst nachdem er das ganze Essen in sich hineingestopft hat. Was
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