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Komm wieder zurück: Roman

Komm wieder zurück: Roman

Titel: Komm wieder zurück: Roman
Autoren: Deborah Reed
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alter Hunde, ohne Ziel. Annie wollte die Hagelkörner auf ihrer Haut spüren, um sich von den hartnäckigen Tagträumen zu befreien, die hinter den Augen feststeckten. Doch bis sie den Kaffee eingegossen hatte, war der Hagel bereits weitergezogen.
    Sie schaltet das kleine Radio ein, das sie immer auf der Veranda stehen hat. Es ist auf einen Sender eingestellt, den sie zufällig am Ende der Skala gefunden hat, in der Annahme, die Nachrichten kämen. Er bringt knisternde alte Serien, in denen Kaufleute und Näherinnen sich in schweren Zeiten durchschlagen – Figuren, die nicht immer logisch wirken. Aber dann hört man am Tag darauf die Vorgeschichte, etwas über den letzten Wunsch einer Tante auf dem Sterbebett oder ein Waisenkind am Straßenrand, dessen wahre Identität sich gerade herausstellt. Heute sind es ein Fleischer in New York und ein kleiner Junge, sein Neffe, der Sohn eines Bruders, den der Mann hasst. Den Jungen liebt er anscheinendtrotzdem. »Du erinnerst mich an mich in deinem Alter«, sagt der Fleischer. Die Akzente sind ein bisschen zu dick aufgetragen.
    Vorgeschichte – 
backstory
. Ein Wort, über das sie nachzudenken versucht hat. Sie sollte einen Song mit diesem Titel schreiben. An manchen Tagen fühlt es sich an, als ob jede Tasse in der Küche, jeder Baum im Garten, die Fingerhirse, Ameisenhügel, die Tannenbohlen unter ihren Füßen, sogar der Himmel eine Vorgeschichte und nur den einen Zweck hätten, sie an Owen zu erinnern. Die Songs, die Scherze, die seltsamen Beobachtungen hallen wie eine Stimmgabel in ihrem Kopf wider.
    Detour rappelt sich auf und bellt Eichhörnchen an, die sich in der Virginia-Eiche jagen und eine Spur herunterfallender knackender Eicheln zurücklassen. Das Gekläff zerreißt die Stille wie ein Gewehrschuss.
    »Du bist ein großer Mann, wenn es um kleine Eichhörnchen geht«, sagt Annie. Er hatte gezittert, als der Hagel auf das Dach aus Zedernholz trommelte. Aber er ist ein guter Hund. Dicker und älter, als er sein dürfte.
    Sie braucht einen Moment, um zu erkennen, dass er nicht die Eichhörnchen anbellt. Wenigstens einer seiner Sinne ist noch scharf! Annie sieht den Mann im Hain kaum. Er steigt schnell wieder in den Truck und schließt die Tür, als wäre er nur ausgestiegen, um sich zu erleichtern, und will nicht, dass es jemand merkt.
    Der Truck setzt sich in Bewegung, auf ihre Auffahrt zu. Annie lässt den Feldstecher in das weiche Gras fallen, hüpft von der Veranda herunter und hebt ihn auf. Es fällt schwer, ein bewegliches Ziel zu fokussieren. Sie gibt den Versuch auf, als der Truck ihr Tor erreicht. Ihre Auffahrt ist mindestens zweihundert Meter lang. Doch die ferne blecherne Musik dringt ihr ins Ohr.
    Detour tappt die Stufen hinunter, als hätte er nur Holzbeine. Er überanstrengt seine Hüften in der matschigen Auffahrt. »Hiergeblieben, mein Junge«, sagt Annie. »Bei Fuß.«
    Plötzlich bohrt die Sonne ein Loch durch den Nebel und spiegelt sich in der dünnen Windschutzscheibe, die verbirgt, wer am Steuer sitzt.
    Aber sie kann erkennen, dass es sich bei dem aus dem hinteren Teil des Trucks aufragenden Gerümpel um Rechen, Schaufeln, einen Rasenmäher und einen Haufen brauner Gartenabfälle handelt, und sie weiß genau, wer das ist.
    Detour weiß es auch. Er läuft neben dem Truck auf Annie zu, so dicht daneben, dass sein Schwanz gegen die Tür schlägt. Ihr Bruder lässt seine Hand aus dem offenen Fenster hängen und berührt Detours Nasenspitze.
    Die Musik auf der Stereoanlage ist
The beautiful south
mit einer Coverversion von
Dream a little dream of me.
»Das ist das munterste Potpourri aus traurigen Liedern, das du je hören wirst«, hatte sie bemerkt, als sie es ihm vor Jahren schenkte.
    Der Truck hält mit einem Ruck an.
Walsh Gartenbau
steht als Schriftzug unter der Silhouette einer Virginia-Eiche an der Tür.
    Ich heiße Annie Walsh.
Das sagte sie früher immer leise, wenn sie die Bühne betrat. Dann brandete der Applaus auf. Die wirbelnden Pfiffe. Das Kreischen.
    Die Musik im Truck verstummt, und der Motor dieselt kurz nach. Es riecht nach Fritten.
    Ihr Herz pulsiert gegen die dünne Wand ihrer Brust, ihr Hirn, ihre Ohren, ihre Hände. Sie ist nicht darauf vorbereitet, ihren eigenen Bruder zu sehen, auch wenn sie sich oft vorgestellt hat, dass er so auftauchen würde.
    Er klettert in T-Shirt und Drillichshorts heraus. Er trägt keine Jacke. Ein untrügliches Anzeichen dafür, dass es wärmer wird, als Annie gehofft hat.
    Er grinst eher, als
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