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Komm wieder zurück: Roman

Komm wieder zurück: Roman

Titel: Komm wieder zurück: Roman
Autoren: Deborah Reed
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jemand die Musik lauter. »
Rocking around the christmas tree
« drang durch die Wände. Aufrecht taumelnd bemühte sich der Däne, im Dunkeln etwas zu erkennen. Er zeigte auf den Rollator. »Sie sind alt«, sagte er verächtlich. Er hielt seine Hand an die Wand und ließ den Kopf hängen, als müsste er sich erbrechen. Das Licht ging wieder an, und in dem trüben Schein wirkte die Haut des Mannes so blass und glatt wie der Unterbauch eines Hais.
    »Das bin ich wohl«, sagte Onkel Calder.
    Der Mann sah zu Boden. Er verkrampfte sich, offenbar im Begriff, sich zu erbrechen. Er würgte, aber es kam nichts. »Was willst du, Kearney?«, fragte er mit seinem starken Akzent.
    »Sie sollten Ihr Leben in Ordnung bringen«, sagte Onkel Calder. Er wollte dem Mann nicht wehtun.
    »Wer sind Sie?«
    »Es ist alles viel schneller vorbei, als Sie glauben, und was haben Sie dann vorzuweisen?«
    Der Däne würgte, aber es kam immer noch nichts. »Weg da!«, sagte er.
    »Nichts. Nur eine Spur von Kummer und Leid.«
    Der Däne zog das Messer aus seiner Socke. Er schwenkte es locker in der Luft herum, als wollte er nur spielen.
    Onkel Calder empörte sich: »Andere Mütter haben doch auch schöne Töchter. Sie haben die freie Wahl!«
    Der Däne schien darüber nachzudenken. »Kearney«, sagte er. »Ich wähle schon die ganze Zeit.«
    Hier ist deine Chance
, hörte er den echten Kearney von oben sagen,
die Sache zu regeln
.
    »Dann geben Sie Ihre Frau frei.«
    Der Däne schüttelte den Kopf. »Sie gehört
mir
«, sagte er. »Wie heißt das hier: ›Bis der Tod uns scheidet‹?« Und das war der Moment, in dem er vor Zorn rasend wurde. Er raste schneller als ein Güterzug.
    Der Däne musste Onkel Calders Erregung gespürt haben. Anscheinend fand er das lustig. Er lachte so sehr, dass er dabei kaum ein Geräusch machte. Er fuchtelte mit dem Messer in der Luft herum, als wollte er Löcher in ein Laken stechen.
    »Leg das Messer weg, Junge.«
    Der Däne stach noch wilder in die Luft.
    »Das würde ich lieber nicht tun«, sagte Onkel Calder.
    »Das würde ich lieber nicht tun«, äffte ihn der Däne in jammerigem Ton nach. »Kein Wunder, dass die Frau, auf die Sie warten, nie auftaucht. Sie sind feige. Hören Sie sich bloß mal an. Wissen Sie denn nicht, wie man sich durchsetzt?«
    Onkel Calder trat vor.
    »Schwamm drüber«, sagte der Mann lachend. »Hören Sie nicht auf mich. Du bist ein guter Mann, Kearney. Du bist der Beste.« Er warf das Messer hin und kam mit ausgestreckter Hand auf ihn zu.
    Das war das Letzte, was der Däne in seinem Leben tat.
    Durch die Öffnung, die einmal verglast war, weht Schnee herein. Die Ärmel seines braunen Pullovers sind von Flocken bedeckt. Hunger, seine Brust verkrampft sich.
    Calder könnte sein leiblicher Sohn sein. War das nicht der wahre Grund, warum Miriam nicht wollte, dass Kearney dahinterkam? Dass sein einziger Sohn nicht mal sein eigener war? Natürlich konnte ein Junge auch nach seinem Onkel kommen. Aber es gab so viele Ähnlichkeiten. Die Hände, die Füße, die Stimme, dieStatur. Und am schlimmsten von allem war, eine Frau zu begehren, die einem anderen gehörte.
    Es klopft an der Tür. »Mr Walsh? Ist alles in Ordnung?« Die Frau von unten. Frau Dingenskirchen.
    »Alles in Ordnung«, flüstert er.
    »Ich habe einen lauten Krach gehört. Irgendwas ist aus Ihrem Fenster gefallen. Sind Sie okay?«
    Die blauen Lichter am Baum blinken, blinken, blinken. Sein Körper fühlt sich schwer an, in den Füßen hat sich das Blut angestaut. Wie lange hat er hier gestanden? Langsam geht er durch das Zimmer, fällt auf das Sofa und klopft auf das Zifferblatt seiner Quarzuhr. In fünfundvierzig Minuten soll er bei Calder sein. Er könnte die Augen zwanzig Minuten zutun, das würde nicht schaden. Er will es nur nicht vergessen.
    »Ich telefoniere! Hören Sie mich? Ich rufe jemanden zu Hilfe, okay?«
    Er überlegt, Miriam etwas zu schreiben. Eine Zeile in einer Weihnachtskarte, irgendwas. Er hat nie Gelegenheit gehabt, ihr zu schreiben. Am Anfang hätte Kearney es finden können, aber selbst nachdem Kearney nicht mehr da war, hätte Miriam alles ungeöffnet weggeworfen, was er zu schicken versucht hätte. Dennoch will er es ihr mitteilen, bevor es zu spät ist. Er greift nach unten und reißt einen großen Fetzen von der Zeitung ab. Mit dem Stift, den er für Kreuzworträtsel verwendet, schreibt er:
Miriam, ich habe Dich immer …
, aber dann fühlt sich der Stift plötzlich so an, als ob er aus etwas Weichem
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