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Komm wieder zurück: Roman

Komm wieder zurück: Roman

Titel: Komm wieder zurück: Roman
Autoren: Deborah Reed
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rumstehen?«
    »Nein, aber ich weiß, wo ich eine herkriege.«
    »Und eine Geige. Ich brauche jemanden, der Geige spielen kann.«
    Frank legt die Hände an die Hüften. »Der steht vor Ihnen.«
    »Im Ernst?«
    »Ein Teufelsgeiger, wie er leibt und lebt. Aber es ist eine Fiedel, falls Sie das nicht stört.«
    »Sieh mal einer an! Können Sie irgendwas von Dylan?«
    »Wie kommt es bloß, dass Sie heute hier hereingeschneit sind?«
    »Vermutlich eine Laune des Schicksals.«
    »Das ist ja so was von kitschig!«, sagt er.
    »Davon hab ich noch ’ne Menge auf Lager, Mr Reimschmied.«
    »Ganz ohne Zweifel«, sagt er mit seinem Grübchenlächeln. Er sucht nach jemandem in der Menge. »Ey, Bill«, ruft er. »Würdest du bitte mal eben nach Hause laufen und deine Gitarre für diese Lady hier holen?«
    Bill erhebt sich wie ein Mann, der gewöhnt ist, gefällig zu sein. Auf seiner Mütze steht
Inspected by Allison
. Er sieht Annie an und zieht die Schlüssel aus der vorderen Tasche seiner Jeans. »Bei dem Schnee brauche ich aber ein paar Minuten.«
    »Ich wohne gleich nebenan«, sagt Frank zu Annie. »Ich geh meine ›Geige‹ holen.«

TEIL VIER

DREISSIG
    Die Eisenbahnschienen sind zugeschneit. Zum ersten Mal in seinem Leben sieht Onkel Calder aus dem Fenster hinunter und findet sie nicht mehr. Er wirft zwei orangefarbene Pillen ein und trinkt Eiswasser aus dem Becher in seiner Hand. Er ist ungewöhnlich müde, sein Magen abwechselnd sauer, hungrig und verkrampft. Er fühlt sich wackelig auf den Beinen, etwas beschwipst, obwohl er seit Wochen keinen Alkohol getrunken hat.
    Er muss von den Medikamenten bitter aufstoßen und will sich hinlegen, schafft es aber nicht. In etwas über einer Stunde soll er Calder besuchen. Die blinkenden blauen Weihnachtslichter in der Ecke erinnern ihn an die Augen der Mutter des Jungen.
    Doch nun steht er tief in Gedanken versunken am Fenster. Entgegen aller Wahrscheinlichkeit ist er älter als achtzig geworden, ohne je geheiratet zu haben. Eigentlich hätte das Junggesellendasein sein Leben um zehn Jahre verkürzen sollen, aber er hat bereits die durchschnittliche Lebenserwartung eines Amerikaners überschritten. »Haben Sie eine Freundin, die Sie so fit hält, Mr Walsh?«, fragen sie ihn bei der Florida Geriatrics Research, Inc., und er überlegt, ob die Liebe zu einer Frau, selbst wenn sie einem das Herz bricht, einen Mann gewissermaßen am Leben erhält.
    Er erinnert sich an ihre Hände. Jemand hätte diese Hände auf einem Gemälde festhalten sollen. In einer Skulptur. Schlanke Finger wie aus Porzellan, die das kupferfarbene Haar mit einer Nadel feststecken. Wenn sie lachte, sah es aus, als stünde sie in Flammen. Davon müsste es einen Film geben. Jeden Tag seines Lebens würde er sich Wiederholungen ansehen. Wer hätte solch einem Mund widerstehen können? Jenen Lippen? Dem kupferroten Haar, das ihr um die Schultern fiel, wenn sie lachte?
    »Wovon ernähren Sie sich?«, fragen ihn die Forscher.
Von Cantaloupe-Melonen, grünen Bohnen und Wasserspinat
. »Wie viel Bewegung haben Sie?«
Eine Menge mit meiner Treppe
. »Wie oft lassen Sie Wasser?«
Wenn ich süßen Tee trinke, sehr oft
. »Würden Sie bitte auf die Waage steigen?« Rote und weiße Blutdruck-Filmtabletten, orangefarbene Pillen gegen Kreuzschmerzen, nach Ammoniak riechendes Shampoo gegen Haarausfall und kleine gelbe Pillen für Erektionen. Das hatte er doch neulich gerade jemandem erzählt, er hatte alle Medikamente aufgezählt, die er einnahm. Annie. Annie war hier in seinem Wohnzimmer gewesen. Er hat ihr nichts von denen für Erektionen erzählt.
    Er wirft einen Blick auf den Rollator in der Ecke. Das Purple Heart auf dem kleinen Tischchen unter der Lampe blitzt golden. Er ist und war schon immer ein ganzer Kerl.
    Er legt die Stirn an das kalte Fenster und überlegt, wie es sich wohl anfühlt, seinen Schädel durch das Glas zu schlagen und dann dazustehen und durch die Scherben Schnee einzuatmen.
    Er umklammert das Glas in seiner Hand fester, und es ist angenehm kühl in seiner schmerzenden Faust. Möglicherweise könnten ganz winzige Knöchelchen tatsächlich gebrochen sein. Er wird sich noch eine Weile von den Forschern fernhalten müssen. Die würden alles über seine Hände erfahren wollen, Röntgenbilder machen und seine spröden Fingerknochen mit ihren eigenen festen befühlen.
    Was er empfindet, ist
Kummer
. Ein Wort, das ihn immer noch an Kearneys Tod erinnert. Er denkt daran, wie er durch die Tage danach getaumelt
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